FlexProjekt Cap Arcona 2021 "Ein Interview mit Zigi Shipper"
Nach einer coronabedingten Pause im letzten Frühjahr hat sich in diesem Jahr wieder eine Projektgruppe zusammenfinden können, die sich im Rahmen des schulischen Gedenkens an die Cap Arcona - Katastrophe ein weiteres Mal mit den Ereignissen am und um den 3. Mai 1945 in Neustadt beschäftigt hat. Ganz konform mit den Hygiene-Regelungen an Schulen kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur aus einer Lerngruppe, um zwei Tage lang mit Herrn Käpernick von der Arbeitsgruppe Neuengamme einem Geschehen parallel zur Versenkung der in der Neustädter Bucht vor Anker liegenden und zu "schwimmenden Konzentrationslagern" umfunktionierten Cap Arcona und Thielbek nachzuforschen, nämlich dem Schicksal der etwa 2000 Stutthof-Häftlinge, die Neustadt auf zwei von Schleppern gezogenen Schuten am 2. Mai erreichten.
Im Rahmen des Projektes wurden Zeugenaussagen von Überlebenden und Historikertexte ausgewertet und ein Fragenkatalog zusammengestellt, der als Grundlage für eine besondere Gelegenheit genutzt werden können sollte: Ein Interview mit Zigi Shipper, den die Schülerinnen und Schüler via Zoom zusammen mit einer seiner Töchter, Michelle Richman, zu seiner Lebensgeschichte und seinen Erinnerungen an die Ereignisse in Neustadt befragen konnten.
Zygmunt Shipper wurde 1930 in Łódź geboren. Seine Mutter wanderte nach Großbritannien aus, als Zigi, wie er heute heißt, drei Jahre alt war. Den Kontakt zu seinem Vater verlor er, als dieser 1939 vor der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion floh.
Zigi Shipper war Jude und daher gezwungen, im Ghetto von Łódź in einer Metallfabrik Zwangsarbeit zu leisten. 1944 wurde er in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Von dort wurde er weiter in das KZ Stutthof bei Danzig bzw. in Außenlager des KZ gebracht.
Bei der Räumung des KZ Stutthof wurden Binnenschiffe, Schuten, eingesetzt, von denen zwei nach sechs Tagen ohne Verpflegung am 2.5.1945 in Neustadt bei den Häftlingsschiffen Cap Arcona und Thielbek ankerten. Da die Wachen die Schuten über Nacht verließen, konnten Häftlinge die Schiffe an den Strand manövrieren.
Am Morgen des 3. Mai ermordeten alarmierte Marinesoldaten und SS-Wachmannschaften mindestens 257 Häftlinge am Strand und auf dem Weg zur Marinekaserne in Neustadt, den Zigi Shipper im Interview als „Todesmarsch“ bezeichnet. Zigi Shipper war so krank, dass er drei Monate im Krankenhaus von Neustadt zubrachte und dann zu seiner Mutter nach Großbritannien auswanderte.
Es war uns eine große Ehre, mit Zigi Shipper einen Menschen kennen lernen zu dürfen, der sein Leben lang trotz des unfassbaren Leids, das er erdulden musste, den Glauben an die Menschen und die Verständigung der Völker nicht verloren hat: "Like I say to young people, there is nothing we can do about the past, but we can do a lot about the present and the future, and it’s up to young people, the most important people in the world."
Informationen zu Zigi Shipper auf der Internetseite der «Holocaust Education al Trust«
Wir bedanken uns wie immer bei Herrn Käpernick für die Möglichkeiten, die sich unseren Schülerinnen und Schülern durch sein Engagement und seine Arbeit eröffnen.
Unsere Cap Arcona - FlexProjekte
FlexProjekt Cap Arcona 2019 "Zu Ehren Willi Neuraths"
Auch in diesem Jahr beschäftigte sich eine Projektgruppe des Küstengymnasiums Neustadt mit einem der Überlebenden der Katastrophe in der Lübecker Bucht. Im Rahmen der Erstellung eines Beitrages für die Cap Arcona Gedenkfeier am 3. Mai ging es um Willi Neurath, dessen v.a. politisch geprägte Wirkungsgeschichte vor und nach dem Untergang der Schiffe die Gruppe ebenso interessierte wie die schicksalhafte Liebesgeschichte um ihn und seine Frau Eva.
Als Grundlage der Nachforschungen, die wieder unter der Leitung von Thomas Käpernick von der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme erfolgten, dienten diesmal neben Briefen, die Willi Neurath an seine Familie und vor allem seine Frau aus dem KZ Buchenwald schrieb, auch Berichte und Texte seines Sohnes, Bruno Neurath-Wilson, mit dem die Projektgruppe im Anschluss an die Gedenkfeier sogar noch ein tolles Gespräch führen konnte.
Cap Arcona 2019 - Willi Neurath
I. Willi Neurath wird am 22.08.1911 als Sohn eines Buchdruckers in Erfurt geboren. In den 20ern tritt er der KPD bei. Zeitlebens macht sich Willi Neurath aber seine eigenen Gedanken und lässt sich so nie direkt parteipolitischen Ideen zuordnen.
Nach Abschluss einer Lehre zum Buchbinder findet er zunächst keine Anstellung und wendet sich verstärkt der Politik zu. Seine Hauptaufgabe besteht nun darin, weitere Mitglieder für die Partei zu gewinnen. Dafür bildet er sich weiter, indem er die Parteischule der KPD in Laichingen bei Solingen besucht.
Auch nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 setzt er sich trotz der vielen Verhaftungen von Parteimitgliedern weiterhin aktiv für seine politischen Überzeugungen ein und wird 1935 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in den Anstalten Siegburg, Esterwegen und Vechta ableistet.
Nach Entlassung aus der Haft wird Neurath schon drei Jahre später erneut aufgegriffen und zunächst in das Untersuchungsgefängnis Köln-Klingelpütz verbracht. Hier quält ihn u.a. die ständige Ungewissheit über sein weiteres Schicksal. Der Gedanke einer möglichen Inhaftierung begleitet ihn die gesamte Zeit über, wobei er mit diesem allein gelassen wird. Seine einzige Hoffnung sind die Briefe und Besuche seiner Frau und seiner Familie. Auf die wartet er aber vergebens:
„Ich kann euch in diesem Brief auch noch keine näheren Mitteilungen machen, denn ich warte selbst mit heißem Herzen auf einen Entscheid der höheren Behörde. In der Hoffnung, dass euch dieser Brief recht bald erreichen wird, sei er euch ein erstes Lebenszeichen von mir. Nehmt es nicht für übel, wenn ich heute nur wenige Zeilen schreibe, aber das ist durch die Umstände hier bedingt, später werde ich wohl mehr schreiben können, wenn ich das Unglück haben und nicht zu euch zurückkehren kann.“ [Brief an seine Frau Eva und seine Eltern; die Zitate wurden leicht bearbeitet]
Aus diesen Ausschnitten eines von ihm geschriebenen Briefes an seine Frau und Eltern wird auch klar, dass auch die Familie sich stets in Ungewissheit über den Zustand ihres Mannes oder Sohnes befand.
II. Während seiner Haftzeit in Vechta freundet sich Willi mit einem Mithäftling an, der ihn darum bittet, nach Ende der Haftstrafe seiner Frau in Köln eine Botschaft zu überbringen. So kehrt Neurath nach seiner Entlassung nach Köln zurück, um der Bitte nachzukommen.
Dort lernt er auch die Stieftochter des Kameraden, Eva, kennen und sie verlieben sich ineinander. Anschließend heirateten die beiden am 24. Oktober 1942.
Dann jedoch wird er 1943 wieder verhaftet und in das KZ Buchenwald gebracht. Während dieser Zeit halten die Eheleute Briefkontakt; Willi schreibt ihr jeden Sonntag. Um sie zu schützen und um ihr keine Sorgen zu bereiten, erwähnt er in seinen Briefen nichts von den menschenunwürdigen Verhältnissen im Lager:
„Du brauchst dir um mich auf alle Fälle keine Sorgen zu machen, mir geht es nach wie vor gut, ich bin gesund und wohlauf, abgesehen von einer kleinen, aber wichtigen Kleinigkeit – eben dir, meiner Mutsch – fehlt mir nichts.“ […]
„Oft und oft, Mutsch, bin ich bei dir und begleite dich durch dein schweres Leben. Schön wäre es, wenn dir gelänge, noch einmal nach Memel versetzt zu werden, dann würdest du doch nicht so ganz alleine unter fremden Menschen sein. Hoffentlich gelingt es dir.“
Anders als noch in der Untersuchungshaft sind Besuche von Angehörigen in den Konzentrationslagern grundsätzlich nicht gestattet. Und dennoch kundschaften Eva und ihre Mutter die Bewachung aus, indem sie sich als Spaziergängerinnen ausgeben. Dabei stellen sie fest, dass einer der Wachen Litauisch spricht, die Muttersprache von Eva.
Mutig wagen sie das Außergewöhnliche: Eva spricht den Wächter auf Litauisch an und sagt ihm, dass sie in das Lager wolle, um ihren Ehemann zu sprechen — und das mit Erfolg: Sie kann Willi tatsächlich für einige Minuten sehen.
Im Sommer 1944 wird Neurath dann in das KZ Neuengamme verlegt. Ab diesem Zeitpunkt verliert Eva den Kontakt zu ihm und weiß nicht mehr, wo er gefangen gehalten wird. Von dort wird er schließlich Ende April mit seinen Mithäftlingen auf die Cap Arcona verbracht. Eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit seiner Frau oder gar ein Wiedersehen scheint somit ausgeschlossen. Doch auch Eva, die in der Zwischenzeit als Marinehelferin eingesetzt ist, wird im Zuge der Auflösung der deutschen Marine in den letzten Kriegstagen nach Neustadt beordert und in der U-Boot-Schule einquartiert. Als am 3.Mai 1945 die Royal Air Force die Schiffe bombardiert, kann sie natürlich nicht wissen, dass sich ihr Mann auf der „Cap Arcona“ befindet, wird jedoch von einer großen Unruhe getrieben.
Die große Katastrophe, die sich im Laufe des Tages auf der Ostsee vor Neustadt abspielt, erleben die beiden schließlich aus unterschiedlichen Perspektiven. In einem Brief, den Willi 1947 an die Witwe eines beim Angriff umgekommenen Mithäftlings und Kameraden schreibt, berichtet er von den schrecklichen Ereignissen:
„Lange waren wir nicht auf dem Schiff und dann ereilte uns unser Unglück. Am 3. Mai 1945 wurden unsere Schiffe mittags um 14.45 Uhr von englischen Bombenflugzeugen angegriffen. Und das war der Tod von 7500 Häftlingen. Hilflos waren wir dem Feuer– oder Wassertode ausgeliefert. Tausende sprangen ins Wasser und ertranken und Tausende kamen in den Flammen um. Es war furchtbar, so furchtbar, dass es kaum mit Worten zu erzählen ist.“
Willi überlebt, weil er sich in dem großen Chaos, das auf der brennenden Cap Arcona herrscht, auf das Vorschiff retten kann. Dort wird er am Ende des Tages von britischen Soldaten gerettet und verbringt die Nacht zum 4. Mai am Strand von Neustadt.
Am nächsten Morgen geht Eva zum Strand, wieso, weiß sie auch nicht. Dort kommt ihr ein Mann entgegen, verdreckt, verrußt, verwundet – völlig unkenntlich. Sie will ihn passieren, doch der vermeintlich Fremde geht direkt auf sie zu und spricht sie mit ihrem Kosenamen an. Es ist Willi. Vor Schreck fällt sie in Ohnmacht.
III. Nach 1945 bleiben Willi und Eva Neurath noch ein paar Jahre in Neustadt. Er arbeitet als Angestellter bei der Stadtverwaltung und kümmert sich mit einigen Kameraden um die Bergung der Opfer der Katastrophe und die Anlage des Cap Arcona Mahnmals. Später engagiert er sich im Kieler Innenministerium für die politischen Wiedergutmachungsfälle. Damit hat er seine ehemaligen Haftkameraden auch nachträglich unterstützen können.
IV. Nachdem wir uns nun zwei Tage mit den Briefen und Berichten von und über Willi Neurath beschäftigt haben, ist uns klar geworden, was für ein besonderer Mensch er gewesen sein muss. Wir haben uns gefragt, was das Schicksal dieses Menschen uns heute bedeuten kann. Hier ist unsere Antwort:
Wir bewundern Willi Neurath für seine Stärke und seine Hartnäckigkeit, seine Tapferkeit, sein Pflichtbewusstsein und sein Mitgefühl. Wir finden es bemerkenswert, dass er sich trotz der so verhängnisvollen und tragischen Erlebnisse nicht in seinem Wirken beeinflussen lassen hat und dass er anderen weiterhin half.
FlexProjekt Cap Arcona 2016 "Zu Ehren Henryk Francuz"
15 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Jahrgangsstufen haben sich in den vergangenen drei Tagen unter Anleitung des Historikers Thomas Käpernick mit der Lebensgeschichte eines Überlebenden der Cap Arcona Katastrophe beschäftigt. Ziel war es, dem im letzten Jahr Verstorbenen Henryk Francuz ein "kleines Denkmal” zu setzen. Neben der Recherche-Arbeit, deren Ergebnis folgender Text ist, hat die Gruppe auf der Grundlage von Zitaten aus Francuz’ Lebensbericht auch gestalterisch gearbeitet. Die Ergebnisse können neben einigen Bildern vom Projektablauf weiter unten betrachtet werden.
Besonders schön ist, dass die Projektgruppe über Herrn Käpernick zum Abschluss noch den Sohn des Verstorbenen via E-Mail kontaktieren und von ihrem Vorhaben und den Ergebnissen informieren konnte. Dies ist seine Antwort:
Henryk FrancuzHello Thomas, I am very touch my father was a very special man, I’m with tears that someone remembers his journey of life. The war for my father did not stop when he was liberated. Everyday he fought his own demons and I as a child was part of it. I thank you so much for making my fathers name known. Thank the children who are doing there works on the holocaust, they must know that a person lives and dies but he has a name. My father was very dear to me. My flesh and blood. I respect your work very much. I want to add that Germany suffered very much and I respect the people. […]
Sincerely yours
Michael Adam Francuz
„I did not have a happy childhood during the time shortly before my father died and afterwards.“
Henryk Francuz wurde am 16. Februar 1925 in Lodz, Polen, geboren. Seine leibliche Mutter verstarb 1928, als er drei Jahre alt war, sein Vater zwei Jahre vor dem Krieg im Dezember 1937, während er noch zwölf war. Seine Stiefmutter und ihre Familie prägten vor allem seine Kindheit. Er wusste bis zu seinem neunten Lebensjahr nicht, dass sie seine Stiefmutter war.
Vom Kindergarten bis zur siebten Klasse ging er zu einer hebräischen Schule. In seiner Freizeit war er aktiv in mehreren zionistischen Jugendgruppen tätig, beschreibt sich aber insgesamt als unpolitischen Menschen, der nicht wusste, was „im Land geschah oder im Osten vor sich ging.“ Er sprach zwei Sprachen – Hebräisch und Polnisch, allerdings nicht Yiddish, was zu Problemen führte, als er 1939 ins Ghetto kam, da er sich dort nach eigenen Angaben nicht mit den anderen austauschen konnte.
„I was not a political animal.“
Die Schwestern seiner Stiefmutter nahmen ihn bei sich auf. Die eine war Zahnärztin, der zweiten gehörte eine Bibliothek. Er selbst machte eine Ausbildung zum Elektriker. Ins Ghetto ging er, nachdem in seinem Viertel nachts regelmäßig und willkürlich Menschen ermordet worden waren. Im Ghetto selbst übten seine Tanten ihre Berufe weiter aus, während er in Fabriken oder Bäckereien elektrische Anlagen reparierte.
„The most famous Aktion was the Sperre”
Die Zustände im Ghetto verschlechterten sich zunehmend. Krankheit, Kälte und Hunger wurden allgegenwärtig, die Menschen wurden von der Außenwelt vollkommen isoliert, die einzigen Informationsquellen waren wenige Radios und Zeitungen. Als besonders drastisch empfand Henryk Francuz die so genannten „Sperren“, Aktionen der SS, bei denen schwache und kranke Menschen in Konzentrationslager deportiert wurden: „The most famous Aktion was the Sperre, which lasted more than a week — ten days. The term Sperre means blockade. One could not go out in the streets and the Germans would go with the Jewish police and they would fill the daily quota with weak and sick people. My step mother was taken during the Sperre.“
„The difference was, that despite all the hunger and cold, here in the camp you where without family. It was a different planet.”
Um nicht Ziel der regelmäßigen Deportationen zu werden, versteckte sich Henryk Francuz mit anderen im Ghetto. Bei der endgültigen Räumung des Ghettos wurde jedoch auch er entdeckt und in einem Zug nach Marishin und später in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. Francuz versuchte aus einem der kleinen Wagons, in die jeweils 40–50 Menschen gepfercht worden waren, zu entkommen, doch er war auf die Hilfe anderer Gefangener angewiesen, die jedoch Angst vor den Deutschen hatten und das Risiko erwischt zu werden nicht eingehen wollten.
Als sie im „Camp“ – Auschwitz Birkenau – ankamen, wurde Francuz bei der Selektion für arbeitsfähig befunden und im folgenden auf erniedrigende Weise komplett rasiert, desinfiziert, geduscht und in die Häftlingsuniform gekleidet, die er als „Clownskostüm“ beschreibt. Das Schlimmste in Birkenau seien laut Francuz nicht Kälte und Hunger, sondern die Einsamkeit ohne die Familie gewesen, denn in den Baracken herrschten grausame Bedingungen: Die Menschen schliefen „übereinander gestapelt“ und ohne Decke auf dem Betonboden. Außerdem litt er unter der Schikane des „Blockältesten“, einem Häftling, der für die Ordnung und Sauberkeit in der Baracke zuständig gewesen war, in seinem Fall ein polnischer Häftling. Der Blockälteste stahl den anderen Insassen das Essen, um selber besser zu leben; auch Henryk Francuz wurde täglich seiner kleinen Portion Margarine beraubt.
“I was the only one who did not step out.“
Aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung als Elektriker wurde Francuz in ein Außenlager – Auschwitz Fürstengrube – gebracht. Am Anfang machte Fürstengrube einen besseren Eindruck als Birkenau, da die Bedingungen ihm zunächst erträglicher erschienen. Man ließ ihn andere Kleidung für die Arbeit anziehen, um ihn vor den nassen Wänden der Mine zu schützen, er konnte warm duschen und deutsche Soldaten von der Luftwaffe gaben ihm unbemerkt etwas zu Essen. Doch auch in Fürstengrube wurden Häftlinge Opfer der SS. Francuz war im Zuge einer Lager-Aktion, bei der alle jüdischen Insassen des Außenlagers ermordet wurden, nur knapp dem Tode entronnen, da er sich nicht als Jude zu erkennen gab.
„The ship began to explode, and fire…and everything was flying around.“
Francuz blieb bis zur kompletten Räumung des gesamten Lagerkomplexes am 18. Januar 1945. Dann ging er mit etwa 1000 Häftlingen am so genannten „Todesmarsch“. Schon auf der ersten Etappe, die Francuz nach Dora-Nordhausen führte, wo er von Februar bis März in unterirdischen Einrichtungen beim Bau der V1– und V2-Raketen Zwangsarbeit leisten musste, verstarb rund die die Hälfte der Häftlinge des Marsches an Hungersnot und Kälte. Wegen der näher rückenden Roten Armee wurden Francuz und die weiteren Überlebenden zunächst in Züge und dann auf eine Fähre verfrachtet und legten anschließend noch eine Wegstrecke von 40–50 km zu Fuß bis nach Ahrensbök bzw. Siblin zurück. Von dort aus ging es dann Ende April 1945 über Pönitz und Süsel nach Neustadt in Holstein, wo Francuz schließlich am dritten Mai auf den ehemaligen Luxusdampfer Cap Arcona kam.
Die Bombardierung des Schiffes überlebte er, obwohl er nicht schwimmen konnte, indem er sich an einer Holzplanke festhielt. Erst am Abend wurde er von einem britischen Boot in den Hafen transportiert und verbrachte die Nacht in einem Speicher am Neustädter Bahnhof. Wegen der Verbrennungen, die er sich bei der Flucht von dem brennenden Schiff zugezogen hatte, musste er zehn Tage im Krankenhaus bleiben.
„There are things that are more universal than the narrow perspective of the good of a nation.“
Henryk Francuz blieb bis zum Sommer 1947, begann sogar ein Studium, das er nach seiner Rückkehr nach Polen beendete. Dort lernte er dann auch seine Frau Dorota kennen, die bereits im selben Ghetto wie er gewesen war, und zog im Mai 1957 mit ihr nach Israel. 1987 emigrierte er nach Washington, wo er fünf Jahre wohnte und sein Sohn Michael geboren wurde. 2012 und 2016 erinnerte er auf den Gedenkfeiern zur Katastrophe in der Lübecker Bucht an die Leiden der Häftlinge und richtete einen wichtigen Appell an die nachfolgenden Generationen: „Lasst es nicht wieder geschehen.“
Im Sommer 2017 verstarb er in Tel Aviv.
FlexProjekt Cap Arcona 2017 "Szenische Lesung"
Auch der diesjährige Beitrag des Küstengymnasiums an der Gedenkfeier zum Untergang der Cap Arcona Katastrophe am 3. Mai 1945 wurde im Rahmen eines Flexprojektes ausgearbeitet. Elf Schülerinnen und Schüler aus den Klassenstufen 9 und E beschäftigten sich an drei Schultagen intensiv mit den Ereignissen und Zusammenhängen rund um den Untergang der Häftlingsschiffe in der Neustädter Bucht. Besonders spannend gestaltete sich diesmal die Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen.
So stand nach einer Einführung und einer Begehung der Gedenkstätte im Rahmen des Projektes auch ein Besuch des Cap Arcona Museums an, bei dem die Gruppe sich bei Herrn Lange Fundstücke anschaute und weitere Informationen zu den tragischen Umständen einholte, die letztlich zur Katastrophe geführt haben. Einen Schwerpunkt bildete zudem die Frage, wie das Thema für die jüngeren Generationen, aber auch für die Stadt und die Region bedeutend bleiben kann.
So gerüstet ging es an die Arbeit: Zusammen mit Herrn Thomas Käpernick vom Arbeitskreis Cap Arcona sollte ein Beitrag für die Gedenkfeier entstehen, der die Ereignisse um den 3. Mai 1945 aus der Sicht einiger Überlebender schildert und so versucht, einen kleinen Einblick in die Ängste und das Leiden, aber auch den unerschütterlichen Willen und die Hoffnungen der Häftlinge zu vermitteln. Zu diesem Zweck arbeitete die Gruppe an verschiedenen Zeitzeugenberichten, die Herr Käpernick zuvor im Archiv der Gedenkstätte Neuengamme ausgewählt und zur Verfügung gestellt hatte.
Im Rahmen der Gedenkfeier wurde das Ergebnis dieser Arbeit dann in Form einer Szenischen Lesung präsentiert.
Denkt@g-Preis für das Cap Arcona-Filmprojekt
Ein großer Erfolg: Für den 24. und 25. Januar wurden die Teilnehmer des Cap Arcona-Filmprojektes aller drei Neustädter Schulen im Rahmen der Auszeichnung der Preisträger des Denkt@g-Wettbewerbes der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Berlin eingeladen. Neben der Zeremonie am Freitag gab es ein tolles Rahmenprogramm : Nach dem Besuch der neuen Synagoge im Centrum Judaicum ging es zum Anne Frank-Zentrum in den Hackeschen Höfen. Eine Vielzahl von detaillierten Informationen prasselte innerhalb kürzester Zeit auf die Projektteilnehmenden ein, sodass alle glücklich waren, beim Abendessen Zeit zum Durchschnaufen und Verarbeiten zu haben, bevor am Abend schließlich noch eine Lesung des Ende letzten Jahres erschienenen Romans “Deutsches Haus” von Annette Hess anstand. Bei der Preisverleihung am Freitag wurden — begleitet von Musik und Gästen wie dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert — dokumentarische, analytische und philosophische Beiträge geehrt. Eine ernste, emotionale und überaus spannende Veranstaltung, die anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar ins Leben gerufen wurde.
FlexProjekt Cap Arcona "Erinnern heißt verstehen"
Die vergangenen drei Schultage stellten für elf Schülerinnen und Schüler aus den Klassenstufen 7 bis Q1 des Küstengymnasiums eine ungewöhnliche Herausforderung dar. Sie wurden mit der verantwortungsvollen Aufgabe betraut, einen Beitrag der Schule für die Gedenkfeier zum 71. Jahrestag der Cap-Arcona-Katastrophe zu erarbeiten. „Gegen das Vergessen“ lautet die Überschrift, unter der die Schüler nun ein Zeichen setzen wollen, das nicht nur ihre Altersgenossen dazu anregen soll, sich an diesen dunklen Moment der Neustädter Geschichte zu erinnern, sondern alle Neustädter auffordert, der Geschichte ihrer Heimatstadt wieder gewahr zu werden: Am Gedenktag starten vom Gelände des Ehrenmals aus 71 Luftballons (für jedes Gedenkjahr einer), die auf Karten geschriebene Zitate der Überlebenden tragen und den Findern Anlass zur Erinnerung und Mahnung sein sollen.
Für die Zeit des Projektes, das neben dem regulären Unterricht stattfand, wurden die Schüler vom eigentlichen Unterricht freigestellt und arbeiteten weitgehend selbständig mit viel Engagement und Ernsthaftigkeit an der Umsetzung ihrer Ideen. Dabei ging es zunächst darum, sich mit der Geschichte des Untergangs an sich und der Problematik der Aufarbeitung zu beschäftigen, was gerade für die jüngeren schon eine gewisse Herausforderung darstellte. Gemeinsam mit den beratenden Lehrern wurden die nächsten Schritte geplant und umgesetzt – vom Studium der Berichte der Überlebenden und der Auswahl geeigneter Zitatstellen über die Gestaltung der Karten bis hin zur Formulierung einer kurzen Rede für die Gedenkfeier, die den Abwesenden die Idee des Projektes erläutern soll. Auch der Auftritt auf der Gedenkfeier und v. a. die Rede stellten eine nicht alltägliche Aufgabe dar und musste geübt werden.
Wenngleich unsere Ballons letztlich nicht wirklich auf Reise gehen konnten, setzte unsere Aktion einen wohl allen in Erinnerung bleibenden Schlusspunkt für die sehr bewegende Gedenkfeier, von der uns vor allem die Redebeiträge der Überlebenden beeindruckt haben.
FlexProjekt Cap Arcona 2015 "Die Katastrophe in der Neustädter Bucht"
Der Beitrag des Küstengymnasiums zum Gedenken an die Cap Arcona-Katastrophe bildete am 4. Mai den Abschluss einer Reihe beeindrucktender und eindringlicher Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Tragödie in der Neustädter Bucht. Zuvor war die Szenische Lesung im Rahmen des Erinnerungskonzeptes der Schule allen Schüler*innen ab der 8. Klasse gezeigt worden.