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FlexProjekte

Eine besondere Form des Unterrichts am KGN sind unsere FlexProjekte. Mit ihnen können wir Schüler*innen auch außerhalb ihres Klassen- und Jahrgangsverbands die Möglichkeit geben, sich mit ihren vielfältigen individuellen Interessen und Fähigkeiten im schulischen Rahmen einzubringen und ihren Erfahrungsraum zu erweitern. Diese besondere Form der Projektarbeit wird in der Regel Fächer-, Klassen- und Jahrgangsübergreifend angeboten. Wenn es sich anbietet, nutzen wir dabei die Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen und Fachleuten und scheuen keine Entfernungen.

FlexProjekt Cap Arcona 2023 "Zu Ehren Kazimierz Wajsen" 

Auch in diesem Jahr haben wir einen Beitrag für die Gedenkfeier am 3. Mai gestalten dürfen. Mit an Bord auch Thomes Käpernick, mit dem wir auch in den letzten Jahren zusammenarbeiten konnten. Sechs Schülerinnen und Schüler aus unseren 8. Klassen haben sich per ZOOM mit der Enkelin Kazimierz getroffen, den Erinnerungen von Magda und ihrem Bruder gelauscht, Fragen gestellt und Informationen gesammelt. Aus diesem Interview ist eine kleine, hoffentlich aber irgendwie auch besondere Rede geworden, die alle gemeinsam am 3. Mai gehalten haben. Wie immer hat Thomas Käpernick die wichtigsten Daten vorab zusammengefasst:

In einem mehrtägigen Projekt haben 6 Schüler*innen des Küstengymnasium das Schicksal des polnischen Häftlings der Cap Arcona und Athen Kazimierz Wajsen kennengelernt. Dabei half uns dessen Enkeltochter Magda Wajsen, die heute unter uns ist.
Kazimierz Wajsen war Häftling des KZ Neuengamme im Kommando Klinkerwerk und im Außenlager Uelzen. Seine Entwurzelung begann 1943 im Alter von 20 Jahren mit der Flucht der Familie vor nationalistischen ukrainischen Truppen. Anschließend deportierten ihn die Deutschen zur Zwangsarbeit nach Hamburg. Zwei Male kam er in Gestapohaft: im Gefängnis Fuhlsbüttel und im Arbeitserziehungslager Wilhelmsburg. Vorgeworfen wurden ihm kollektive Aktionen in den Zwangsarbeitslagern. Für eine Verhaftung genügte der Gestapo bekanntlich ein Verdacht und so lieferte sie ihn 1945 im KZ Neuengamme ein. Seine Häftlingsnummer lautete 76633.


Kazimierz Wajsen überlebte die Häftlingsschiffe, weil er von der Cap Arcona auf die Athen kam, die am 3. Mai im Neustädter Hafen lag, da sie Häftlinge des KZ Stutthof aufnehmen sollte.


K.:
Magda hat uns erzählt, dass ihr Großvater seine Häftlingsnummer fast wie einen Schatz gehütet hat. Er hatte auch andere Dinge behalten, wie zum Beispiel Fotos mit anderen Zwangsarbeitern. Doch am wichtigsten war ihm seine Häftlingsnummer, die er sogar extra in einen Umschlag gepackt und zu seinen wichtigsten Dokumenten gelegt hat, obwohl sie ja aus der schlimmsten Zeit seines Lebens stammte. 

Er hielt an ihr fest, um beweisen zu können, dass er so viel Ungerechtigkeit und Leid ertragen musste. Er wollte den Beweis für seinen Widerstand und seinen Kampf bewahren – er wollte, dass ihm geglaubt wird!

A.:
Ganz besonders beeindruckend an Kazimierz war sein sehr starker Wille, er hat niemals aufgegeben und Zeit seines Lebens versucht, Dokumente zu finden, mit denen er die Jahre der Verschleppung und Entwurzelung anerkennen lassen hätte können.

Erst nach seinem Tod hat die Familie dann diese Dokumente bekommen – er selbst, der so lange dafür gekämpft hatte, hat sie nie gesehen.


M.:
Kazimierz war sehr mitfühlend und konnte sich gut in die Menschen hineinversetzen. Deshalb war es ihm so wichtig, seine Kinder und Enkelkinder zu schützen, indem er ihnen nicht viel von der Zeit erzählte. Wie sollte denn auch ein Kind nur diese grausamen Taten verstehen können? Magda erinnert sich lediglich an einen Moment, als sie und ihr Bruder mit kleinen Plastiksoldaten spielten und ihr Großvater eine der Figuren hochnahm und sagte: „Dieses Gewehr wird nicht mehr schießen!“


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O.:
Kazimierz war ein ganz besonders leidenschaftlicher Gärtner, der mit seiner großen Liebe zur Natur und zu Tieren einen Ort geschaffen hat, in dem die Familie sich begegnete. Er reparierte alles selbst und war, wie wir heute sagen würden, ein „Selbstversorger“.
In diesem Garten war er von niemandem abhängig und niemand konnte ihm sagen, was er machen solle.

Der Garten war für ihn der Ort, wo er Wurzeln schlagen und sich niederlassen konnte. Endlich gab es nach den Jahren der Verschleppung etwas, das ihm gehörte, das sicher war und das er für andere gestalten konnte.


M.:
Kazimierz ist Magdas großer Held. Auch für uns kann er ein großes Vorbild sein. In der Zeit, in der er so viel Schreckliches erleben musste, hat er es geschafft, nie aufzugeben und immer weiterzumachen, sich aufzulehnen und sich nicht zu beugen.
Dies ist sehr bewundernswert und wir können uns nicht vorstellen, dass uns das gelingen würde. Dabei hat er auch noch immer an andere gedacht und wollte, dass es seiner Familie immer gut geht.

C.:
Und auch Magda ist für uns ein Vorbild, weil sie die Erinnerung an diesen besonderen Menschen wachhält und uns und unserer Generation von Kazimierz erzählt hat. Ihr Großvater lebt auf diese Weise nicht nur in Magdas Familie weiter, sondern auch wir werden uns an ihn und seine Geschichte erinnern.

Magda war bei seinem Tod erst 10 Jahre alt und konnte das tragische Leben ihres Großvaters noch nicht verstehen. Bestimmt hätte sie gerne mehr Zeit mit ihm verbracht und ihn noch vieles gefragt und seiner Erzählung gelauscht. Und das würden wir auch gerne tun, hätten ihm geantwortet:

„Wir sind deine Zeugen geworden – wir können deine Geschichte beweisen!“


FlexProjekt Cap Arcona 2022 "Zu Ehren Roger Vyveys"

Roger Vyvey (1920-2003) lebte in Nieuwpoort, Belgien. Die Stadt lag in der Sperrzone, die die deutschen Besatzer für den Bau des Atlantikwalls errichteten. Roger Vyvey schloss sich 1942 einer Widerstandsgruppe an, die Informationen für die britische Armee sammelte. Am 14.4.1944 wurde er von deutscher Feldpolizei verhaftet, nachdem die Gruppe durch Verrat enttarnt worden war. Die Deutschen verhörten und folterten ihn und deportierten ihn am 30.8.1944 mit 2000 anderen Verfolgten aus Antwerpen in einem Viehwaggon.

Im KZ Neuengamme erhielt Roger Vyvey die Häftlingsnummer 44 444. Er musste mit 400 anderen Belgiern im KZ-Außenlager Bremen-Blumenthal für die Deschimag-Werft Zwangsarbeit leisten. Nach einem Schaden an einer Maschine wurde Roger Vyvey der Sabotage beschuldigt und zur Strafe gefoltert. Anfang April 1945 wurde das KZ-Außenlager geräumt, zuerst in einem Todesmarsch und dann mit Viehwaggons über Neuengamme nach Lübeck auf die Häftlingsschiffe. Roger Vyvey erinnerte später vor allem das Sterben von Mithäftlingen auf der „Cap Arcona“ und der „Athen“ in den Tagen vor dem 3. Mai. Er gehörte zu der Häftlingsgruppe, die den Bomben entgingen, weil sie am 3. Mai 1945 auf der „Athen“ befreit wurden.

Roger Vyvey war sehr geschwächt. Nachdem er zu seiner Mutter zurückgekehrt war, merkte er, dass seine Berichte aus der Haft in Nieuwpoort auf Unglauben stießen. Roger Vyvey engagierte sich im „Belgische Vriendenkring Neuengamme“. Sein Enkel Kristof van Mierop lernte die Geschichte seines Großvaters kennen und trat, nachdem er 2015 eine Fahrt nach Neuengamme und Bremen unternommen hatte, in den Vriendenkring ein. Er ist nun Generalsekretär der Amicale Internationale KZ Neuengamme.


Kristof van Mierop hat das Projekt mit Material unterstützt und stand den Schülerinnen und Schülern für Fragen zur Verfügung. Für ihn sind Kunstwerke, die ihm zur Erinnerung am 3. Mai persönlich übergeben werden.

FlexProjekt Cap Arcona 2021 "Ein Interview mit Zigi Shipper"

Nach einer coronabedingten Pause im letzten Frühjahr hat sich in diesem Jahr wieder eine Projektgruppe zusammenfinden können, die sich im Rahmen des schulischen Gedenkens an die Cap Arcona - Katastrophe ein weiteres Mal mit den Ereignissen am und um den 3. Mai 1945 in Neustadt beschäftigt hat. Ganz konform mit den Hygiene-Regelungen an Schulen kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur aus einer Lerngruppe, um zwei Tage lang mit Herrn Käpernick von der Arbeitsgruppe Neuengamme einem Geschehen parallel zur Versenkung der in der Neustädter Bucht vor Anker liegenden und zu "schwimmenden Konzentrationslagern" umfunktionierten Cap Arcona und Thielbek nachzuforschen, nämlich dem Schicksal der etwa 2000 Stutthof-Häftlinge, die Neustadt auf zwei von Schleppern gezogenen Schuten am 2. Mai erreichten. 

Im Rahmen des Projektes wurden Zeugenaussagen von Überlebenden und Historikertexte ausgewertet und ein Fragenkatalog zusammengestellt, der als Grundlage für eine besondere Gelegenheit genutzt werden können sollte: Ein Interview mit Zigi Shipper, den die Schülerinnen und Schüler via Zoom zusammen mit einer seiner Töchter, Michelle Richman, zu seiner Lebensgeschichte und seinen Erinnerungen an die Ereignisse in Neustadt befragen konnten.



Zygmunt Shipper wurde 1930 in Łódź geboren. Seine Mutter wanderte nach Großbritannien aus, als Zigi, wie er heute heißt, drei Jahre alt war. Den Kontakt zu seinem Vater verlor er, als dieser 1939 vor der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion floh.
Zigi Shipper war Jude und daher gezwungen, im Ghetto von Łódź in einer Metallfabrik Zwangsarbeit zu leisten. 1944 wurde er in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Von dort wurde er weiter in das KZ Stutthof bei Danzig bzw. in Außenlager des KZ gebracht.

Bei der Räumung des KZ Stutthof wurden Binnenschiffe, Schuten, eingesetzt, von denen zwei nach sechs Tagen ohne Verpflegung am 2.5.1945 in Neustadt bei den Häftlingsschiffen Cap Arcona und Thielbek ankerten. Da die Wachen die Schuten über Nacht verließen, konnten Häftlinge die Schiffe an den Strand manövrieren.

Am Morgen des 3. Mai ermordeten alarmierte Marinesoldaten und SS-Wachmannschaften mindestens 257 Häftlinge am Strand und auf dem Weg zur Marinekaserne in Neustadt, den Zigi Shipper im Interview als „Todesmarsch“ bezeichnet. Zigi Shipper war so krank, dass er drei Monate im Krankenhaus von Neustadt zubrachte und dann zu seiner Mutter nach Großbritannien auswanderte.

Es war uns eine große Ehre, mit Zigi Shipper einen Menschen kennen lernen zu dürfen, der sein Leben lang trotz des unfassbaren Leids, das er erdulden musste, den Glauben an die Menschen und die Verständigung der Völker nicht verloren hat: "Like I say to young people, there is nothing we can do about the past, but we can do a lot about the present and the future, and it’s up to young people, the most important people in the world."

Informationen zu Zigi Shipper auf der Internetseite der «Holocaust Education al Trust«

Wir bedanken uns wie immer bei Herrn Käpernick für die Möglichkeiten, die sich unseren Schülerinnen und Schülern durch sein Engagement und seine Arbeit eröffnen.



Unsere Cap Arcona - FlexProjekte

Flex­Pro­jekt Cap Arcona 2019 "Zu Ehren Willi Neuraths"

Auch in die­sem Jahr beschäf­tigte sich eine Pro­jekt­gruppe des Küs­ten­gym­na­si­ums Neu­stadt mit einem der Über­le­ben­den der Kata­stro­phe in der Lübe­cker Bucht. Im Rah­men der Erstel­lung eines Bei­tra­ges für die Cap Arcona Gedenk­feier am 3. Mai ging es um Willi Neu­rath, des­sen v.a. poli­tisch geprägte Wir­kungs­ge­schichte vor und nach dem Unter­gang der Schiffe die Gruppe ebenso inter­es­sierte wie die schick­sal­hafte Lie­bes­ge­schichte um ihn und seine Frau Eva.

Als Grund­lage der Nach­for­schun­gen, die wie­der unter der Lei­tung von Tho­mas Käper­nick von der Arbeits­ge­mein­schaft Neu­en­g­amme erfolg­ten, dien­ten dies­mal neben Brie­fen, die Willi Neu­rath an seine Fami­lie und vor allem seine Frau aus dem KZ Buchen­wald schrieb, auch Berichte und Texte sei­nes Soh­nes, Bruno Neurath-Wilson, mit dem die Pro­jekt­gruppe im Anschluss an die Gedenk­feier sogar noch ein tol­les Gespräch füh­ren konnte.

Cap Arcona 2019 - Willi Neurath

I. Willi Neu­rath wird am 22.08.1911 als Sohn eines Buch­dru­ckers in Erfurt gebo­ren. In den 20ern tritt er der KPD bei. Zeit­le­bens macht sich Willi Neu­rath aber seine eige­nen Gedan­ken und lässt sich so nie direkt par­tei­po­li­ti­schen Ideen zuordnen.

Nach Abschluss einer Lehre zum Buch­bin­der fin­det er zunächst keine Anstel­lung und wen­det sich ver­stärkt der Poli­tik zu. Seine Haupt­auf­gabe besteht nun darin, wei­tere Mit­glie­der für die Par­tei zu gewin­nen. Dafür bil­det er sich wei­ter, indem er die Parteischule der KPD in Laichin­gen bei Solin­gen besucht.

Auch nach der Macht­über­nahme durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten 1933 setzt er sich trotz der vie­len Ver­haf­tun­gen von Par­tei­mit­glie­dern wei­ter­hin aktiv für seine poli­ti­schen Über­zeu­gun­gen ein und wird 1935 wegen „Vor­be­rei­tung zum Hoch­ver­rat“ zu fünf Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt, die er in den Anstal­ten Sieg­burg, Ester­we­gen und Vechta ableistet.

Nach Ent­las­sung aus der Haft wird Neu­rath schon drei Jahre spä­ter erneut auf­ge­grif­fen und zunächst in das Unter­su­chungs­ge­fäng­nis Köln-Klingelpütz ver­bracht. Hier quält ihn u.a. die stän­dige Unge­wiss­heit über sein wei­te­res Schick­sal. Der Gedanke einer mög­li­chen Inhaf­tie­rung beglei­tet ihn die gesamte Zeit über, wobei er mit die­sem allein gelas­sen wird. Seine ein­zige Hoff­nung sind die Briefe und Besu­che sei­ner Frau und sei­ner Fami­lie. Auf die war­tet er aber vergebens:

 „Ich kann euch in die­sem Brief auch noch keine nähe­ren Mit­tei­lun­gen machen, denn ich warte selbst mit hei­ßem Her­zen auf einen Ent­scheid der höhe­ren Behörde. In der Hoff­nung, dass euch die­ser Brief recht bald errei­chen wird, sei er euch ein ers­tes Lebens­zei­chen von mir. Nehmt es nicht für übel, wenn ich heute nur wenige Zei­len schreibe, aber das ist durch die Umstände hier bedingt, spä­ter werde ich wohl mehr schrei­ben kön­nen, wenn ich das Unglück haben und nicht zu euch zurück­keh­ren kann.“ [Brief an seine Frau Eva und seine Eltern; die Zitate wur­den leicht bearbeitet]

Aus die­sen Aus­schnit­ten eines von ihm geschrie­be­nen Brie­fes an seine Frau und Eltern wird auch klar, dass auch die Fami­lie sich stets in Unge­wiss­heit über den Zustand ihres Man­nes oder Soh­nes befand.

II. Wäh­rend sei­ner Haft­zeit in Vechta freun­det sich Willi mit einem Mit­häft­ling an, der ihn darum bit­tet, nach Ende der Haft­strafe sei­ner Frau in Köln eine Bot­schaft zu über­brin­gen. So kehrt Neu­rath nach sei­ner Ent­las­sung nach Köln zurück, um der Bitte nachzukommen.

Dort lernt er auch die Stief­toch­ter des Kame­ra­den, Eva, ken­nen und sie ver­lie­ben sich inein­an­der. Anschlie­ßend hei­ra­te­ten die bei­den am 24. Okto­ber 1942.

Dann jedoch wird er 1943 wie­der ver­haf­tet und in das KZ Buchen­wald gebracht. Wäh­rend die­ser Zeit hal­ten die Ehe­leute Brief­kon­takt; Willi schreibt ihr jeden Sonn­tag. Um sie zu schüt­zen und um ihr keine Sor­gen zu berei­ten, erwähnt er in sei­nen Brie­fen nichts von den men­schen­un­wür­di­gen Ver­hält­nis­sen im Lager:

 „Du brauchst dir um mich auf alle Fälle keine Sor­gen zu machen, mir geht es nach wie vor gut, ich bin gesund und wohl­auf, abge­se­hen von einer klei­nen, aber wich­ti­gen Klei­nig­keit – eben dir, mei­ner Mutsch – fehlt mir nichts.“ […] 

Oft und oft, Mutsch, bin ich bei dir und begleite dich durch dein schwe­res Leben. Schön wäre es, wenn dir gelänge, noch ein­mal nach Memel ver­setzt zu wer­den, dann wür­dest du doch nicht so ganz alleine unter frem­den Men­schen sein. Hof­fent­lich gelingt es dir.

Anders als noch in der Unter­su­chungs­haft sind Besu­che von Ange­hö­ri­gen in den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern grund­sätz­lich nicht gestat­tet. Und den­noch kund­schaf­ten Eva und ihre Mut­ter die Bewa­chung aus, indem sie sich als Spa­zier­gän­ge­rin­nen aus­ge­ben. Dabei stel­len sie fest, dass einer der Wachen Litau­isch spricht, die Mut­ter­spra­che von Eva.

Mutig wagen sie das Außer­ge­wöhn­li­che: Eva spricht den Wäch­ter auf Litau­isch an und sagt ihm, dass sie in das Lager wolle, um ihren Ehe­mann zu spre­chen — und das mit Erfolg: Sie kann Willi tat­säch­lich für einige Minu­ten sehen.

Im Som­mer 1944 wird Neu­rath dann in das KZ Neu­en­g­amme ver­legt. Ab die­sem Zeit­punkt ver­liert Eva den Kon­takt zu ihm und weiß nicht mehr, wo er gefan­gen gehal­ten wird. Von dort wird er schließ­lich Ende April mit sei­nen Mit­häft­lin­gen auf die Cap Arcona ver­bracht. Eine Mög­lich­keit der Kon­takt­auf­nahme mit sei­ner Frau oder gar ein Wie­der­se­hen scheint somit aus­ge­schlos­sen. Doch auch Eva, die in der Zwi­schen­zeit als Mari­ne­hel­fe­rin ein­ge­setzt ist, wird im Zuge der Auf­lö­sung der deut­schen Marine in den letz­ten Kriegs­ta­gen nach Neu­stadt beor­dert und in der U-Boot-Schule ein­quar­tiert. Als am 3.Mai 1945 die Royal Air Force die Schiffe bom­bar­diert, kann sie natür­lich nicht wis­sen, dass sich ihr Mann auf der „Cap Arcona“ befin­det, wird jedoch von einer gro­ßen Unruhe getrieben.

Die große Kata­stro­phe, die sich im Laufe des Tages auf der Ost­see vor Neu­stadt abspielt, erle­ben die bei­den schließ­lich aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven. In einem Brief, den Willi 1947 an die Witwe eines beim Angriff umge­kom­me­nen Mit­häft­lings und Kame­ra­den schreibt, berich­tet er von den schreck­li­chen Ereignissen:

Lange waren wir nicht auf dem Schiff und dann ereilte uns unser Unglück. Am 3. Mai 1945 wur­den unsere Schiffe mit­tags um 14.45 Uhr von eng­li­schen Bom­ben­flug­zeu­gen ange­grif­fen. Und das war der Tod von 7500 Häft­lin­gen. Hilf­los waren wir dem Feuer– oder Was­ser­tode aus­ge­lie­fert. Tau­sende spran­gen ins Was­ser und ertran­ken und Tau­sende kamen in den Flam­men um. Es war furcht­bar, so furcht­bar, dass es kaum mit Wor­ten zu erzäh­len ist.“

Willi über­lebt, weil er sich in dem gro­ßen Chaos, das auf der bren­nen­den Cap Arcona herrscht, auf das Vor­schiff ret­ten kann. Dort wird er am Ende des Tages von bri­ti­schen Sol­da­ten geret­tet und ver­bringt die Nacht zum 4. Mai am Strand von Neustadt.

Am nächs­ten Mor­gen geht Eva zum Strand, wieso, weiß sie auch nicht. Dort kommt ihr ein Mann ent­ge­gen, ver­dreckt, ver­rußt, ver­wun­det – völ­lig unkennt­lich. Sie will ihn pas­sie­ren, doch der ver­meint­lich Fremde geht direkt auf sie zu und spricht sie mit ihrem Kose­na­men an. Es ist Willi. Vor Schreck fällt sie in Ohnmacht.

 

III. Nach 1945 blei­ben Willi und Eva Neu­rath noch ein paar Jahre in Neu­stadt. Er arbei­tet als Ange­stell­ter bei der Stadt­ver­wal­tung und küm­mert sich mit eini­gen Kame­ra­den um die Ber­gung der Opfer der Kata­stro­phe und die Anlage des Cap Arcona Mahn­mals. Spä­ter enga­giert er sich im Kie­ler Innen­mi­nis­te­rium für die poli­ti­schen Wie­der­gut­ma­chungs­fälle. Damit hat er seine ehe­ma­li­gen Haft­ka­me­ra­den auch nach­träg­lich unter­stüt­zen können.

IV. Nach­dem wir uns nun zwei Tage mit den Brie­fen und Berich­ten von und über Willi Neu­rath beschäf­tigt haben, ist uns klar gewor­den, was für ein beson­de­rer Mensch er gewe­sen sein muss. Wir haben uns gefragt, was das Schick­sal die­ses Men­schen uns heute bedeu­ten kann. Hier ist unsere Antwort:

Wir bewun­dern Willi Neu­rath für seine Stärke und seine Hart­nä­ckig­keit, seine Tap­fer­keit, sein Pflicht­be­wusst­sein und sein Mit­ge­fühl. Wir fin­den es bemer­kens­wert, dass er sich trotz der so ver­häng­nis­vol­len und tra­gi­schen Erleb­nisse nicht in sei­nem Wir­ken beein­flus­sen las­sen hat und dass er ande­ren wei­ter­hin half.



FlexProjekt Cap Arcona 2016 "Zu Ehren Henryk Francuz"

15 Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus verschiedenen Jahrgangsstufen haben sich  in den vergangenen drei Tagen unter Anlei­tung des His­to­ri­kers Tho­mas Käper­nick mit der Lebens­ge­schichte eines Über­le­ben­den der Cap Arcona Kata­stro­phe beschäf­tigt. Ziel war es, dem im letz­ten Jahr Ver­stor­be­nen Hen­ryk Fran­cuz ein "klei­nes Denk­mal” zu set­zen. Neben der Recherche-Arbeit, deren Ergeb­nis fol­gen­der Text ist, hat die Gruppe auf der Grund­lage von Zita­ten aus Fran­cuz’ Lebens­be­richt auch gestal­te­risch gear­bei­tet. Die Ergeb­nisse kön­nen neben eini­gen Bil­dern vom Pro­jek­t­ab­lauf wei­ter unten betrach­tet werden.

Beson­ders schön ist, dass die Pro­jekt­gruppe über Herrn Käper­nick zum Abschluss noch den Sohn des Ver­stor­be­nen via E-Mail kon­tak­tie­ren und von ihrem Vor­ha­ben und den Ergeb­nis­sen infor­mie­ren konnte. Dies ist seine Antwort:

Hello Tho­mas, I am very touch my father was a very spe­cial man, I’m with tears that someone remem­bers his jour­ney of life. The war for my father did not stop when he was libe­ra­ted. Ever­y­day he fought his own demons and I as a child was part of it. I thank you so much for making my fathers name known. Thank the child­ren who are doing there works on the holo­caust, they must know that a per­son lives and dies but he has a name. My father was very dear to me. My flesh and blood. I respect your work very much. I want to add that Ger­many suf­fe­red very much and I respect the people. […]

Sin­ce­rely yours

Michael Adam Francuz

Hen­ryk Francuz

I did not have a happy childhood during the time shortly before my father died and afterwards.“

Hen­ryk Fran­cuz wurde am 16. Februar 1925 in Lodz, Polen, gebo­ren. Seine leib­li­che Mut­ter ver­starb 1928, als er drei Jahre alt war, sein Vater zwei Jahre vor dem Krieg im Dezem­ber 1937, wäh­rend er noch zwölf war. Seine Stief­mut­ter und ihre Fami­lie präg­ten vor allem seine Kind­heit. Er wusste bis zu sei­nem neun­ten Lebens­jahr nicht, dass sie seine Stief­mut­ter war.

Vom Kin­der­gar­ten bis zur sieb­ten Klasse ging er zu einer hebräi­schen Schule. In sei­ner Frei­zeit war er aktiv in meh­re­ren zio­nis­ti­schen Jugend­grup­pen tätig, beschreibt sich aber ins­ge­samt als unpo­li­ti­schen Men­schen, der nicht wusste, was „im Land geschah oder im Osten vor sich ging.“ Er sprach zwei Spra­chen – Hebrä­isch und Pol­nisch, aller­dings nicht Yid­dish, was zu Pro­ble­men führte, als er 1939 ins Ghetto kam, da er sich dort nach eige­nen Anga­ben nicht mit den ande­ren aus­tau­schen konnte.

I was not a poli­ti­cal animal.“

Die Schwes­tern sei­ner Stief­mut­ter nah­men ihn bei sich auf. Die eine war Zahn­ärz­tin, der zwei­ten gehörte eine Biblio­thek. Er selbst machte eine Aus­bil­dung zum Elektriker. Ins Ghetto ging er, nach­dem in sei­nem Vier­tel nachts regel­mä­ßig und will­kür­lich Men­schen ermor­det wor­den waren. Im Ghetto selbst übten seine Tan­ten ihre Berufe wei­ter aus, wäh­rend er in Fabri­ken oder Bäcke­reien elek­tri­sche Anla­gen reparierte.

The most famous Aktion was the Sperre”

Die Zustände im Ghetto ver­schlech­ter­ten sich zuneh­mend. Krank­heit, Kälte und Hun­ger wur­den all­ge­gen­wär­tig, die Men­schen wur­den von der Außen­welt voll­kom­men iso­liert, die ein­zigen Infor­ma­ti­ons­quel­len waren wenige Radios und Zeitungen. Als beson­ders dras­tisch emp­fand Hen­ryk Fran­cuz die so genann­ten „Sper­ren“, Aktio­nen der SS, bei denen schwa­che und kranke Men­schen in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger depor­tiert wur­den: „The most famous Aktion was the Sperre, which las­ted more than a week — ten days. The term Sperre means blo­ckade. One could not go out in the streets and the Ger­mans would go with the Jewish police and they would fill the daily quota with weak and sick people. My step mother was taken during the Sperre.“

The dif­fe­rence was, that des­pite all the hun­ger and cold, here in the camp you where wit­hout family. It was a dif­fe­rent planet.”

Um nicht Ziel der regelmä­ßi­gen Depor­ta­tio­nen zu wer­den, ver­steckte sich Hen­ryk Fran­cuz mit ande­ren im Ghetto. Bei der end­gül­ti­gen Räu­mung des Ghet­tos wurde jedoch auch er ent­deckt und in einem Zug nach Maris­hin und spä­ter in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz ver­schleppt. Fran­cuz ver­suchte aus einem der klei­nen Wagons, in die jeweils 40–50 Men­schen gepfercht wor­den waren, zu ent­kom­men, doch er war auf die Hilfe ande­rer Gefan­ge­ner ange­wie­sen, die jedoch Angst vor den Deut­schen hat­ten und das Risiko erwischt zu wer­den nicht ein­ge­hen wollten.

Als sie im „Camp“ – Ausch­witz Bir­kenau – anka­men, wurde Fran­cuz bei der Selek­tion für arbeits­fä­hig befun­den und im fol­gen­den auf ernied­ri­gende Weise kom­plett rasiert, des­in­fi­ziert, geduscht und in die Häft­lings­uni­form geklei­det, die er als „Clowns­kos­tüm“ beschreibt. Das Schlimmste in Bir­kenau seien laut Fran­cuz nicht Kälte und Hun­ger, son­dern die Ein­sam­keit ohne die Fami­lie gewe­sen, denn in den Bara­cken herrsch­ten grau­same Bedin­gun­gen: Die Men­schen schlie­fen „über­ein­an­der gesta­pelt“ und ohne Decke auf dem Beton­bo­den. Außer­dem litt er unter der Schi­kane des „Blo­ck­äl­tes­ten“, einem Häft­ling, der für die Ord­nung und Sau­ber­keit in der Bara­cke zustän­dig gewe­sen war, in sei­nem Fall ein pol­ni­scher Häft­ling. Der Blo­ck­äl­teste stahl den ande­ren Insas­sen das Essen, um sel­ber bes­ser zu leben; auch Hen­ryk Fran­cuz wurde täg­lich sei­ner klei­nen Por­tion Mar­ga­rine beraubt.

I was the only one who did not step out.“

Auf­grund sei­ner Aus­bil­dung und Erfah­rung als Elek­tri­ker wurde Fran­cuz in ein Außen­la­ger – Ausch­witz Fürs­ten­grube – gebracht. Am Anfang machte Fürs­ten­grube einen bes­se­ren Ein­druck als Bir­kenau, da die Bedin­gun­gen ihm zunächst erträg­li­cher erschie­nen. Man ließ ihn andere Klei­dung für die Arbeit anzie­hen, um ihn vor den nas­sen Wän­den der Mine zu schüt­zen, er konnte warm duschen und deut­sche Sol­da­ten von der Luft­waffe gaben ihm unbe­merkt etwas zu Essen. Doch auch in Fürs­ten­grube wur­den Häft­linge Opfer der SS. Fran­cuz war im Zuge einer Lager-Aktion, bei der alle jüdi­schen Insas­sen des Außen­la­gers ermor­det wur­den, nur knapp dem Tode ent­ron­nen, da er sich nicht als Jude zu erken­nen gab.

The ship began to explode, and fire…and ever­y­thing was fly­ing around.“

Fran­cuz blieb bis zur kom­plet­ten Räu­mung des gesam­ten Lager­kom­ple­xes am 18. Januar 1945. Dann ging er mit etwa 1000 Häft­lin­gen am so genann­ten „Todes­marsch“. Schon auf der ers­ten Etappe, die Fran­cuz nach Dora-Nordhausen führte, wo er von Februar bis März in unter­ir­di­schen Ein­rich­tun­gen beim Bau der V1– und V2-Raketen Zwangs­ar­beit leis­ten musste, ver­starb rund die die Hälfte der Häft­linge des Mar­sches an Hun­gers­not und Kälte. Wegen der näher rücken­den Roten Armee wur­den Fran­cuz und die wei­te­ren Über­le­ben­den zunächst in Züge und dann auf eine Fähre ver­frach­tet und leg­ten anschlie­ßend noch eine Weg­stre­cke von 40–50 km zu Fuß bis nach Ahrens­bök bzw. Siblin zurück. Von dort aus ging es dann Ende April 1945 über Pönitz und Süsel nach Neu­stadt in Hol­stein, wo Fran­cuz schließ­lich am drit­ten Mai auf den ehe­ma­li­gen Luxus­damp­fer Cap Arcona kam.

Die Bom­bar­die­rung des Schif­fes über­lebte er, obwohl er nicht schwim­men konnte, indem er sich an einer Holz­planke fest­hielt. Erst am Abend wurde er von einem bri­ti­schen Boot in den Hafen trans­por­tiert und ver­brachte die Nacht in einem Spei­cher am Neu­städ­ter Bahn­hof. Wegen der Ver­bren­nun­gen, die er sich bei der Flucht von dem bren­nen­den Schiff zuge­zo­gen hatte, musste er zehn Tage im Kran­ken­haus bleiben.

There are things that are more uni­ver­sal than the nar­row per­spec­tive of the good of a nation.“

Hen­ryk Fran­cuz blieb bis zum Som­mer 1947, begann sogar ein Stu­dium, das er nach sei­ner Rück­kehr nach Polen been­dete. Dort lernte er dann auch seine Frau Dorota ken­nen, die bereits im sel­ben Ghetto wie er gewe­sen war, und zog im Mai 1957 mit ihr nach Israel. 1987 emi­grierte er nach Washing­ton, wo er fünf Jahre wohnte und sein Sohn Michael gebo­ren wurde. 2012 und 2016 erin­nerte er auf den Gedenk­fei­ern zur Kata­stro­phe in der Lübe­cker Bucht an die Lei­den der Häft­linge und rich­tete einen wich­ti­gen Appell an die nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen: „Lasst es nicht wie­der geschehen.“

Im Som­mer 2017 ver­starb er in Tel Aviv.

FlexProjekt Cap Arcona 2017 "Szenische Lesung"

Auch der dies­jäh­rige Bei­trag des Küs­ten­gym­na­si­ums an der Gedenk­feier zum Unter­gang der Cap Arcona Kata­stro­phe am 3. Mai 1945 wurde im Rah­men eines Flex­pro­jek­tes aus­ge­ar­bei­tet. Elf Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus den Klas­sen­stu­fen 9 und E beschäf­tig­ten sich an drei Schul­ta­gen inten­siv mit den Ereig­nis­sen und Zusam­men­hän­gen rund um den Unter­gang der Häft­lings­schiffe in der Neu­städ­ter Bucht. Beson­ders span­nend gestal­tete sich dies­mal die Zusam­men­ar­beit mit außer­schu­li­schen Insti­tu­tio­nen.

So stand nach einer Ein­füh­rung und einer Bege­hung der Gedenk­stätte im Rah­men des Pro­jek­tes auch ein Besuch des Cap Arcona Muse­ums an, bei dem die Gruppe sich bei Herrn Lange Fund­stü­cke anschaute und wei­tere Infor­ma­tio­nen zu den tra­gi­schen Umstän­den ein­holte, die letzt­lich zur Kata­stro­phe geführt haben. Einen Schwer­punkt bil­dete zudem die Frage, wie das Thema für die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen, aber auch für die Stadt und die Region bedeu­tend blei­ben kann.

So gerüs­tet ging es an die Arbeit: Zusam­men mit Herrn Tho­mas Käper­nick vom Arbeits­kreis Cap Arcona sollte ein Bei­trag für die Gedenk­feier ent­ste­hen, der die Ereig­nisse um den 3. Mai 1945 aus der Sicht eini­ger Über­le­ben­der schil­dert und so ver­sucht, einen klei­nen Ein­blick in die Ängste und das Lei­den, aber auch den uner­schüt­ter­li­chen Wil­len und die Hoff­nun­gen der Häft­linge zu ver­mit­teln. Zu die­sem Zweck arbei­tete die Gruppe an ver­schie­de­nen Zeit­zeu­gen­be­rich­ten, die Herr Käper­nick zuvor im Archiv der Gedenk­stätte Neu­en­g­amme aus­ge­wählt und zur Ver­fü­gung gestellt hatte.

Im Rah­men der Gedenk­feier wurde das Ergeb­nis die­ser Arbeit dann in Form einer Sze­ni­schen Lesung prä­sen­tiert.

Denkt@g-Preis für das Cap Arcona-Filmprojekt

Ein gro­ßer Erfolg: Für den 24. und 25. Januar wur­den die Teil­neh­mer des Cap Arcona-Filmprojektes aller drei Neu­städ­ter Schu­len im Rah­men der Aus­zeich­nung der Preis­trä­ger des Denkt@g-Wettbewerbes der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Ber­lin ein­ge­la­den. Neben der Zere­mo­nie am Frei­tag gab es ein tol­les Rah­men­pro­gramm : Nach dem Besuch der neuen Syn­agoge im Cen­trum Judai­cum ging es zum Anne Frank-Zentrum in den Hacke­schen Höfen. Eine Viel­zahl von detail­lier­ten Infor­ma­tio­nen pras­selte inner­halb kür­zes­ter Zeit auf die Pro­jekt­teil­neh­men­den ein, sodass alle glück­lich waren, beim Abend­es­sen Zeit zum Durch­schnau­fen und Ver­ar­bei­ten zu haben, bevor am Abend schließ­lich noch eine Lesung des Ende letz­ten Jah­res erschie­ne­nen Romans “Deut­sches Haus” von Annette Hess anstand. Bei der Preis­ver­lei­hung am Frei­tag wur­den — beglei­tet von Musik und Gäs­ten wie dem ehe­ma­li­gen Bun­des­tags­prä­si­den­ten Nor­bert Lam­mert — doku­men­ta­ri­sche, ana­ly­ti­sche und phi­lo­so­phi­sche Bei­träge geehrt. Eine ernste, emo­tio­nale und über­aus span­nende Ver­an­stal­tung, die anläss­lich des Gedenk­ta­ges für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus am 27. Januar ins Leben geru­fen wurde.

FlexProjekt Cap Arcona "Erinnern heißt verstehen"

Die vergangenen drei Schul­tage stell­ten für elf Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus den Klas­sen­stu­fen 7 bis Q1 des Küs­ten­gym­na­si­ums eine unge­wöhn­li­che Her­aus­for­de­rung dar. Sie wur­den mit der ver­ant­wor­tungs­vol­len Auf­gabe betraut, einen Bei­trag der Schule für die Gedenk­feier zum 71. Jah­res­tag der Cap-Arcona-Katastrophe zu erar­bei­ten. „Gegen das Ver­ges­sen“ lau­tet die Über­schrift, unter der die Schü­ler nun ein Zei­chen set­zen wol­len, das nicht nur ihre Alters­ge­nos­sen dazu anre­gen soll, sich an die­sen dunk­len Moment der Neu­städ­ter Geschichte zu erin­nern, son­dern alle Neu­städ­ter auf­for­dert, der Geschichte ihrer Hei­mat­stadt wie­der gewahr zu wer­den: Am Gedenk­tag star­ten vom Gelände des Ehren­mals aus 71 Luft­bal­lons (für jedes Gedenk­jahr einer), die auf Kar­ten geschrie­bene Zitate der Über­le­ben­den tra­gen und den Fin­dern Anlass zur Erin­ne­rung und Mah­nung sein sollen.


Für die Zeit des Pro­jek­tes, das neben dem regu­lä­ren Unter­richt statt­fand, wur­den die Schü­ler vom eigent­li­chen Unter­richt frei­ge­stellt und arbei­te­ten weit­ge­hend selb­stän­dig mit viel Enga­ge­ment und Ernst­haf­tig­keit an der Umset­zung ihrer Ideen. Dabei ging es zunächst darum, sich mit der Geschichte des Unter­gangs an sich und der Pro­ble­ma­tik der Auf­ar­bei­tung zu beschäf­ti­gen, was gerade für die jün­ge­ren schon eine gewisse Her­aus­for­de­rung dar­stellte. Gemein­sam mit den bera­ten­den Leh­rern wur­den die nächs­ten Schritte geplant und umge­setzt – vom Stu­dium der Berichte der Über­le­ben­den und der Aus­wahl geeig­ne­ter Zitatstel­len über die Gestal­tung der Kar­ten bis hin zur For­mu­lie­rung einer kur­zen Rede für die Gedenk­feier, die den Abwe­sen­den die Idee des Pro­jek­tes erläu­tern soll. Auch der Auf­tritt auf der Gedenk­feier und v. a. die Rede stel­lten eine nicht alltägliche Aufgabe dar und musste geübt werden.

Wenn­gleich unsere Bal­lons letzt­lich nicht wirk­lich auf Reise gehen konn­ten, setzte unsere Aktion einen wohl allen in Erin­ne­rung blei­ben­den Schluss­punkt für die sehr bewe­gende Gedenk­feier, von der uns vor allem die Rede­bei­träge der Über­le­ben­den beein­druckt haben.

FlexProjekt Cap Arcona 2015 "Die Katastrophe in der Neustädter Bucht"

Der Bei­trag des Küstengym­na­si­ums zum Geden­ken an die Cap Arcona-Katastrophe bil­dete am 4. Mai den Abschluss einer Reihe beein­druck­ten­der und ein­dring­li­cher Ver­an­stal­tun­gen zum 70. Jah­res­tag der Tra­gö­die in der Neu­städ­ter Bucht. Zuvor war die Sze­ni­sche Lesung im Rah­men des Erin­ne­rungs­kon­zep­tes der Schule allen Schü­le­r*in­nen ab der 8. Klasse gezeigt worden.






FlexProjekt Q2 in Weimar 2019

Höhen und Tie­fen deut­scher Geschichte haben 18 Schüler*innen des Abitur­jahr­gangs in der letz­ten Woche erfah­ren. Auf einer Exkur­sion nach Wei­mar waren sie zunächst auf den Spu­ren Goe­thes und Schil­lers unter­wegs. In deren zu Museen umge­bau­ten Wohn­häu­sern gab es viel zu sehen: Die Arbeits­zim­mer der bei­den gro­ßen Dich­ter ebenso wie All­tags­ge­gen­stände und eine Viel­zahl von Kunst­ob­jek­ten, mit denen vor allem Goe­the sich umgab.

Beson­ders beein­dru­ckend war der Besuch in der inzwi­schen weit­ge­hend wie­der auf­ge­bau­ten Anna-Amalia-Bibliothek. Der berühmte Roko­ko­saal schlug die Schüler*innen mit sei­nen alten Büchern in den Bann, bevor der Tag mit einem Besuch im Deut­schen Natio­nal­thea­ter abge­run­det wurde. On the edge hieß die Per­for­mance, die alle begeis­terte und im Anschluss Stoff für fast zwei Stun­den Dis­kus­sion gab.

 Am zwei­ten Tag dann stand ein Besuch des direkt um die Ecke befind­li­chen ehe­ma­li­gen Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Buchen­wald an. Mit dem Besuch der Gedenk­stätte ging es hinab in die tiefs­ten Tie­fen deut­scher Geschichte. Unfass­ba­res Leid, all­um­fas­sende Nicht-Achtung von Leben und Würde — davon erzählt jeder Mil­li­me­ter die­ses kal­ten, um seine Seele gebrach­ten Ortes. Wie kön­nen wir dafür sor­gen, dass das Erin­nern uns und auch zukünf­tige Gene­ra­tio­nen angeht, das war die Frage der Dis­kus­sion im Anschluss.

Paris - un musée en plein air

Vom 7.-10. Novem­ber haben 14 Schü­le­rin­nen und Schü­ler der Fran­zö­sisch­kurse des Q2-Jahrganges zusam­men mit Herrn Schlet­ter und Frau Pries im Rah­men eines Flex­pro­jek­tes die fran­zö­si­sche Haupt­stadt besucht. Bei kal­tem, aber son­ni­gem Wet­ter wur­den die schöns­ten Monu­mente, Ave­nues und Quar­tiers der Stadt erkun­det: Es ging hoch zum Mont­martre, zum Lou­vre, zum Centre Pom­pi­dou, ins Quar­tier Latin und nach St. Ger­main des Prés, ent­lang der Champs-Elysées  zum Arc de Triom­phe. Das Wahr­zei­chen der Stadt, der Eif­fel­turm, fehlte natür­lich auch nicht. 745 Stu­fen wur­den erklom­men, um von der 2. Etage aus den Blick auf die Stadt zu genie­ßen. Auch ein Besuch bei den Impres­sio­nis­ten im berühm­ten Musée d’Orsay sowie ein Thea­ter­be­such stan­den auf dem Pro­gramm. Natür­lich blieb auch Zeit zum Shop­ping. Mit platt gelau­fe­nen Füßen und vol­ler neuer Ein­drü­cke aus der fran­zö­si­schen Metro­pole ging es dann zurück. Für viele war es sicher nicht der letzte Besuch in Paris, wo es noch so viel mehr zu ent­de­cken gibt!

StadtAnsichten stattAnsichten

Die bei­den Künst­le­rin­nen Vera Käh­ler und Sabrina Schup­pe­lius lei­te­ten die Gruppe an, künst­le­ri­sche Inter­ven­tio­nen im öffent­li­chen Raum zu ent­wi­ckeln. Im Mit­tel­punkt stand, ein Ver­ständ­nis für die Band­breite der Dar­stel­lungs­for­men moder­ner Kunst zu för­dern, wobei der Schwer­punkt auf dem künst­le­ri­schen Pro­zess und der Aus­ein­an­der­set­zung mit dem städ­ti­schen Umraum lag. Zu Beginn erhiel­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler im Los­ver­fah­ren das Seg­ment eines Stadt­plans, der den Bereich rund um das Küs­ten­gym­na­sium zeigte. Nach anschlie­ßen­der Bege­hung ent­wi­ckel­ten die Grup­pen Ideen unter Berück­sich­ti­gung der Eigen­hei­ten des vor­ge­fun­de­nen Ortes und dis­ku­tier­ten ihre Vor­schläge mit den Künst­le­rin­nen. Vor­han­dene Skulp­tu­ren wur­den (mit Ein­ver­ständ­nis des Künst­lers) ver­frem­det, Bäume „umarmt“ und Kin­der­spiel­plätze ergänzt. Bei einer abschlie­ßen­den schulof­fe­nen Prä­sen­ta­tion mit Füh­rung konn­ten die Kunst­werke dann begut­ach­tet werden.

Auf der Suche nach den Spu­ren Shake­speares in London

Wir kamen im Son­nen­schein in der eng­li­schen Haupt­stadt an. Eine U-Bahn-Fahrt und die obli­ga­to­ri­sche Por­tion Fish and Chips spä­ter waren wir schon mit­ten im Gewühl der Stadt. Zur Ein­stim­mung stand ein Rund­gang durch das Lon­do­ner Regie­rungs­vier­tel auf dem Plan. Vor­bei am lei­der ver­hüll­ten Big Ben, dem House of Par­lia­ment, das man per Gesetz nicht mit Rüs­tung betre­ten darf, der West­mins­ter Abbey hin zur Dow­ning Street 10. Larry, Chief Mou­ser to the Cabi­net Office (seit 2011 im Amt!) war hin­ter sei­ner Leib­garde lei­der nicht sicht­bar. Spä­ter ver­riet uns ein Blick auf den Union Jack, dass die Queen gerade nicht im Palast weilt.

Das Wochen­ende war neben klei­nen Abste­chern nach Cam­den Town Shake­speare gewid­met. Jen­seits des Gla­mours, auf der „schlech­ten“ Seite der Themse, such­ten wir in Sou­thwark nach den üblen Spe­lun­ken, wo frü­her Bären­kämpfe und Thea­ter der Graus aller Pro­tes­tan­ten waren. Im heu­ti­gen Globe wur­den wäh­rend der Lec­ture wahre Grö­ßen aus Shake­speares Mitt­som­mer­nachts­traum zum Leben erweckt. Durch die Gänge des Küs­ten­gym­na­si­ums lau­fen ganz inko­gnito die wun­der­schöne Thysbe, der starke Pyra­mus, der Mond, die Wand und der unfass­bar gefähr­li­che Löwe.

Mit dem Flex­Pro­jekt zum CERN

Am 18. August 2019 haben sich Ober­stu­fen­schü­ler aus Q1 und Q2 auf den Weg nach Genf gemacht, um einen ers­ten Ein­blick in die Welt der Teil­chen– und Hoch­en­er­gie­phy­sik zu neh­men. Der Besuch des welt­größ­ten Teil­chen­be­schleu­ni­gers CERN zog sich über zwei ereig­nis­rei­che Tage, die mit fas­zi­nie­ren­den Inhal­ten gefüllt waren. Das High­light der Reise war die Besich­ti­gung des CMS-Detektors, der mit einer Masse von etwa 15000 Ton­nen in einer Kaverne etwa 100m unter der Erde auf­ge­baut war.

Flex­Pro­jekt Cap Arcona 2019 "Zu Ehren Willi Neuraths"

Auch in die­sem Jahr beschäf­tigte sich eine Pro­jekt­gruppe des Küs­ten­gym­na­si­ums Neu­stadt mit einem der Über­le­ben­den der Kata­stro­phe in der Lübe­cker Bucht. Im Rah­men der Erstel­lung eines Bei­tra­ges für die Cap Arcona Gedenk­feier am 3. Mai ging es um Willi Neu­rath, des­sen v.a. poli­tisch geprägte Wir­kungs­ge­schichte vor und nach dem Unter­gang der Schiffe die Gruppe ebenso inter­es­sierte wie die schick­sal­hafte Lie­bes­ge­schichte um ihn und seine Frau Eva.

Als Grund­lage der Nach­for­schun­gen, die wie­der unter der Lei­tung von Tho­mas Käper­nick von der Arbeits­ge­mein­schaft Neu­en­g­amme erfolg­ten, dien­ten dies­mal neben Brie­fen, die Willi Neu­rath an seine Fami­lie und vor allem seine Frau aus dem KZ Buchen­wald schrieb, auch Berichte und Texte sei­nes Soh­nes, Bruno Neurath-Wilson, mit dem die Pro­jekt­gruppe im Anschluss an die Gedenk­feier sogar noch ein tol­les Gespräch füh­ren konnte.

Cap Arcona 2019 - Willi Neurath

I. Willi Neu­rath wird am 22.08.1911 als Sohn eines Buch­dru­ckers in Erfurt gebo­ren. In den 20ern tritt er der KPD bei. Zeit­le­bens macht sich Willi Neu­rath aber seine eige­nen Gedan­ken und lässt sich so nie direkt par­tei­po­li­ti­schen Ideen zuordnen.

Nach Abschluss einer Lehre zum Buch­bin­der fin­det er zunächst keine Anstel­lung und wen­det sich ver­stärkt der Poli­tik zu. Seine Haupt­auf­gabe besteht nun darin, wei­tere Mit­glie­der für die Par­tei zu gewin­nen. Dafür bil­det er sich wei­ter, indem er die Parteischule der KPD in Laichin­gen bei Solin­gen besucht.

Auch nach der Macht­über­nahme durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten 1933 setzt er sich trotz der vie­len Ver­haf­tun­gen von Par­tei­mit­glie­dern wei­ter­hin aktiv für seine poli­ti­schen Über­zeu­gun­gen ein und wird 1935 wegen „Vor­be­rei­tung zum Hoch­ver­rat“ zu fünf Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt, die er in den Anstal­ten Sieg­burg, Ester­we­gen und Vechta ableistet.

Nach Ent­las­sung aus der Haft wird Neu­rath schon drei Jahre spä­ter erneut auf­ge­grif­fen und zunächst in das Unter­su­chungs­ge­fäng­nis Köln-Klingelpütz ver­bracht. Hier quält ihn u.a. die stän­dige Unge­wiss­heit über sein wei­te­res Schick­sal. Der Gedanke einer mög­li­chen Inhaf­tie­rung beglei­tet ihn die gesamte Zeit über, wobei er mit die­sem allein gelas­sen wird. Seine ein­zige Hoff­nung sind die Briefe und Besu­che sei­ner Frau und sei­ner Fami­lie. Auf die war­tet er aber vergebens:

 „Ich kann euch in die­sem Brief auch noch keine nähe­ren Mit­tei­lun­gen machen, denn ich warte selbst mit hei­ßem Her­zen auf einen Ent­scheid der höhe­ren Behörde. In der Hoff­nung, dass euch die­ser Brief recht bald errei­chen wird, sei er euch ein ers­tes Lebens­zei­chen von mir. Nehmt es nicht für übel, wenn ich heute nur wenige Zei­len schreibe, aber das ist durch die Umstände hier bedingt, spä­ter werde ich wohl mehr schrei­ben kön­nen, wenn ich das Unglück haben und nicht zu euch zurück­keh­ren kann.“ [Brief an seine Frau Eva und seine Eltern; die Zitate wur­den leicht bearbeitet]

Aus die­sen Aus­schnit­ten eines von ihm geschrie­be­nen Brie­fes an seine Frau und Eltern wird auch klar, dass auch die Fami­lie sich stets in Unge­wiss­heit über den Zustand ihres Man­nes oder Soh­nes befand.

II. Wäh­rend sei­ner Haft­zeit in Vechta freun­det sich Willi mit einem Mit­häft­ling an, der ihn darum bit­tet, nach Ende der Haft­strafe sei­ner Frau in Köln eine Bot­schaft zu über­brin­gen. So kehrt Neu­rath nach sei­ner Ent­las­sung nach Köln zurück, um der Bitte nachzukommen.

Dort lernt er auch die Stief­toch­ter des Kame­ra­den, Eva, ken­nen und sie ver­lie­ben sich inein­an­der. Anschlie­ßend hei­ra­te­ten die bei­den am 24. Okto­ber 1942.

Dann jedoch wird er 1943 wie­der ver­haf­tet und in das KZ Buchen­wald gebracht. Wäh­rend die­ser Zeit hal­ten die Ehe­leute Brief­kon­takt; Willi schreibt ihr jeden Sonn­tag. Um sie zu schüt­zen und um ihr keine Sor­gen zu berei­ten, erwähnt er in sei­nen Brie­fen nichts von den men­schen­un­wür­di­gen Ver­hält­nis­sen im Lager:

 „Du brauchst dir um mich auf alle Fälle keine Sor­gen zu machen, mir geht es nach wie vor gut, ich bin gesund und wohl­auf, abge­se­hen von einer klei­nen, aber wich­ti­gen Klei­nig­keit – eben dir, mei­ner Mutsch – fehlt mir nichts.“ […] 

Oft und oft, Mutsch, bin ich bei dir und begleite dich durch dein schwe­res Leben. Schön wäre es, wenn dir gelänge, noch ein­mal nach Memel ver­setzt zu wer­den, dann wür­dest du doch nicht so ganz alleine unter frem­den Men­schen sein. Hof­fent­lich gelingt es dir.

Anders als noch in der Unter­su­chungs­haft sind Besu­che von Ange­hö­ri­gen in den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern grund­sätz­lich nicht gestat­tet. Und den­noch kund­schaf­ten Eva und ihre Mut­ter die Bewa­chung aus, indem sie sich als Spa­zier­gän­ge­rin­nen aus­ge­ben. Dabei stel­len sie fest, dass einer der Wachen Litau­isch spricht, die Mut­ter­spra­che von Eva.

Mutig wagen sie das Außer­ge­wöhn­li­che: Eva spricht den Wäch­ter auf Litau­isch an und sagt ihm, dass sie in das Lager wolle, um ihren Ehe­mann zu spre­chen — und das mit Erfolg: Sie kann Willi tat­säch­lich für einige Minu­ten sehen.

Im Som­mer 1944 wird Neu­rath dann in das KZ Neu­en­g­amme ver­legt. Ab die­sem Zeit­punkt ver­liert Eva den Kon­takt zu ihm und weiß nicht mehr, wo er gefan­gen gehal­ten wird. Von dort wird er schließ­lich Ende April mit sei­nen Mit­häft­lin­gen auf die Cap Arcona ver­bracht. Eine Mög­lich­keit der Kon­takt­auf­nahme mit sei­ner Frau oder gar ein Wie­der­se­hen scheint somit aus­ge­schlos­sen. Doch auch Eva, die in der Zwi­schen­zeit als Mari­ne­hel­fe­rin ein­ge­setzt ist, wird im Zuge der Auf­lö­sung der deut­schen Marine in den letz­ten Kriegs­ta­gen nach Neu­stadt beor­dert und in der U-Boot-Schule ein­quar­tiert. Als am 3.Mai 1945 die Royal Air Force die Schiffe bom­bar­diert, kann sie natür­lich nicht wis­sen, dass sich ihr Mann auf der „Cap Arcona“ befin­det, wird jedoch von einer gro­ßen Unruhe getrieben.

Die große Kata­stro­phe, die sich im Laufe des Tages auf der Ost­see vor Neu­stadt abspielt, erle­ben die bei­den schließ­lich aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven. In einem Brief, den Willi 1947 an die Witwe eines beim Angriff umge­kom­me­nen Mit­häft­lings und Kame­ra­den schreibt, berich­tet er von den schreck­li­chen Ereignissen:

Lange waren wir nicht auf dem Schiff und dann ereilte uns unser Unglück. Am 3. Mai 1945 wur­den unsere Schiffe mit­tags um 14.45 Uhr von eng­li­schen Bom­ben­flug­zeu­gen ange­grif­fen. Und das war der Tod von 7500 Häft­lin­gen. Hilf­los waren wir dem Feuer– oder Was­ser­tode aus­ge­lie­fert. Tau­sende spran­gen ins Was­ser und ertran­ken und Tau­sende kamen in den Flam­men um. Es war furcht­bar, so furcht­bar, dass es kaum mit Wor­ten zu erzäh­len ist.“

Willi über­lebt, weil er sich in dem gro­ßen Chaos, das auf der bren­nen­den Cap Arcona herrscht, auf das Vor­schiff ret­ten kann. Dort wird er am Ende des Tages von bri­ti­schen Sol­da­ten geret­tet und ver­bringt die Nacht zum 4. Mai am Strand von Neustadt.

Am nächs­ten Mor­gen geht Eva zum Strand, wieso, weiß sie auch nicht. Dort kommt ihr ein Mann ent­ge­gen, ver­dreckt, ver­rußt, ver­wun­det – völ­lig unkennt­lich. Sie will ihn pas­sie­ren, doch der ver­meint­lich Fremde geht direkt auf sie zu und spricht sie mit ihrem Kose­na­men an. Es ist Willi. Vor Schreck fällt sie in Ohnmacht.

 

III. Nach 1945 blei­ben Willi und Eva Neu­rath noch ein paar Jahre in Neu­stadt. Er arbei­tet als Ange­stell­ter bei der Stadt­ver­wal­tung und küm­mert sich mit eini­gen Kame­ra­den um die Ber­gung der Opfer der Kata­stro­phe und die Anlage des Cap Arcona Mahn­mals. Spä­ter enga­giert er sich im Kie­ler Innen­mi­nis­te­rium für die poli­ti­schen Wie­der­gut­ma­chungs­fälle. Damit hat er seine ehe­ma­li­gen Haft­ka­me­ra­den auch nach­träg­lich unter­stüt­zen können.

IV. Nach­dem wir uns nun zwei Tage mit den Brie­fen und Berich­ten von und über Willi Neu­rath beschäf­tigt haben, ist uns klar gewor­den, was für ein beson­de­rer Mensch er gewe­sen sein muss. Wir haben uns gefragt, was das Schick­sal die­ses Men­schen uns heute bedeu­ten kann. Hier ist unsere Antwort:

Wir bewun­dern Willi Neu­rath für seine Stärke und seine Hart­nä­ckig­keit, seine Tap­fer­keit, sein Pflicht­be­wusst­sein und sein Mit­ge­fühl. Wir fin­den es bemer­kens­wert, dass er sich trotz der so ver­häng­nis­vol­len und tra­gi­schen Erleb­nisse nicht in sei­nem Wir­ken beein­flus­sen las­sen hat und dass er ande­ren wei­ter­hin half.



Auf zum Landesfinale

Die Mit­glie­der der Flex­Pro­jekt­gruppe Jugend debat­tiert haben sich für den Lan­des­ent­scheid qua­li­fi­zie­ren kön­nen und fah­ren nun am 20. März nach Kiel. Dort wer­den sie sich mit den ande­ren Kreis­sie­gern im Debat­tie­ren mes­sen oder als Juro­ren fun­gie­ren. Herz­li­chen Glückwunsch!

FlexProjekt "inBET­WEEN"

Neun­zehn Schü­le­r*in­nen des KGN haben auch in diesem Jahr ein ganz besonderes Projekt gestartet und erneut zu einer fulminanten Aus­stel­lung ein, die einen Aus­schnitt ihres künst­le­ri­schen Inter­es­ses und Kön­nens vor­stellt. Prä­sen­tiert wer­den hier­bei Gra­fi­ken, Male­reien und Foto­gra­fien zum Thema „inbetween“.

Das gemein­same Thema der Arbei­ten „inbet­ween“ ist mehr­di­men­sio­nal zu ver­ste­hen: Es eröff­net einen brei­ten Hori­zont von Ambi­va­len­zen und dif­fu­sen Zwischen-Positionen bzw. Zwischen-Stadien: von gesell­schaft­lich bzw. poli­tisch rele­van­ten Fra­ge­stel­lun­gen (wie der­je­ni­gen der Iden­ti­täts­bil­dung vor dem Hin­ter­grund des Flüch­tens und Neu-Ankommens), über Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem Spiel von Fiktion/Technik/Wirklichkeit über inter­per­so­nale Fra­gen des sozia­len Mit­ein­an­ders hin zu intra­per­so­nel­len Fra­gen der psy­chi­schen Ver­fasst­heit und Wand­lung des Einzelnen.

Die Künst­le­rin­nen und Künst­ler wol­len jedoch noch nicht zu Kon­kre­tes ver­ra­ten. Kom­men Sie vor­bei und schauen Sie sich die Werke an. Wir laden Sie vom 26. Februar bis zum 01. März werk­tags von 16 bis 18h herz­lich zum Besu­chen der Aus­stel­lung ein. Am 25.02. fin­det um 18h die Ver­nis­sage statt.

Denkt@g-Preis für das Cap Arcona-Filmprojekt

Ein gro­ßer Erfolg: Für den 24. und 25. Januar wur­den die Teil­neh­mer des Cap Arcona-Filmprojektes aller drei Neu­städ­ter Schu­len im Rah­men der Aus­zeich­nung der Preis­trä­ger des Denkt@g-Wettbewerbes der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Ber­lin ein­ge­la­den. Neben der Zere­mo­nie am Frei­tag gab es ein tol­les Rah­men­pro­gramm : Nach dem Besuch der neuen Syn­agoge im Cen­trum Judai­cum ging es zum Anne Frank-Zentrum in den Hacke­schen Höfen. Eine Viel­zahl von detail­lier­ten Infor­ma­tio­nen pras­selte inner­halb kür­zes­ter Zeit auf die Pro­jekt­teil­neh­men­den ein, sodass alle glück­lich waren, beim Abend­es­sen Zeit zum Durch­schnau­fen und Ver­ar­bei­ten zu haben, bevor am Abend schließ­lich noch eine Lesung des Ende letz­ten Jah­res erschie­ne­nen Romans “Deut­sches Haus” von Annette Hess anstand. Bei der Preis­ver­lei­hung am Frei­tag wur­den — beglei­tet von Musik und Gäs­ten wie dem ehe­ma­li­gen Bun­des­tags­prä­si­den­ten Nor­bert Lam­mert — doku­men­ta­ri­sche, ana­ly­ti­sche und phi­lo­so­phi­sche Bei­träge geehrt. Eine ernste, emo­tio­nale und über­aus span­nende Ver­an­stal­tung, die anläss­lich des Gedenk­ta­ges für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus am 27. Januar ins Leben geru­fen wurde.

Jugend debat­tiert am KGN!

Kurz vor den Weih­nachts­fe­rien hat­ten zwölf Schü­ler der Ober­stufe erst­mals die Mög­lich­keit, Jugend debat­tiert ken­nen­zu­ler­nen. Jugend debat­tiert ver­bin­det das Trai­ning im Unter­richt mit einem bun­des­wei­ten Wett­be­werb. Ob im schul­in­ter­nen Wett­be­werb oder auf Bun­des­ebene – alle gewin­nen. Denn die Teil­neh­mer ler­nen auf beson­dere Weise, was Leis­tung, Fair­ness und Aus­dauer bedeu­ten, wie wich­tig und letzt­lich doch rela­tiv Erfolge sind, und dass es vor allem um eins geht: dabei zu sein, dran zu blei­ben und eigene Gren­zen zu überschreiten.

Am 14. Februar war es dann erst­ma­lig soweit: das erste Schul­fi­nale von Jugend debat­tiert in der Alters­klasse II (Sekun­dar­stufe II) am KGN. Vier Teil­neh­mer hat­ten sich inten­siv auf die Debatte zu der Streit­frage vor­be­rei­tet, ob pri­va­tes Silvester-Feuerwerk ver­bo­ten wer­den sollte. Trotz aller Auf­re­gung auf­grund des unge­wohnt gro­ßen Publi­kums wurde ein Streit­ge­spräch auf hohem Niveau geführt. Durch­set­zen konn­ten sich schluss­end­lich zwei Schü­ler. Beide wer­den am 12. Februar am Regio­nal­fi­nale teil­neh­men. Dafür wün­schen wir viel Erfolg.

Nächs­tes Jahr fin­det der Wett­be­werb erneut statt. Alle Schü­ler der Jahr­gänge acht, neun, E, Q1 und Q2 haben dann die Mög­lich­keit daran teil­zu­neh­men. Außer­dem wird neben der Ober­stufe auch die Alters­stufe I (Klasse 8/9) die Mög­lich­keit erhal­ten, am Schul­wett­be­werb teilzunehmen.




Flex­Pro­jekt: Seife selbst herstellen

Im Rah­men unse­res letz­ten Flex­Pro­jekts des Jahres kre­ier­ten 15 Schüler*innen aus den Klas­sen­stu­fen 8 bis Q1 gemein­sam vor den Weih­nachts­fe­rien ihre eigene Seife, die sie aus ver­schie­de­nen Fet­ten und Ölen sowie Natron­lauge in Grup­pen her­stell­ten. Dabei zeig­ten alle einen ver­ant­wor­tungs­vol­len und siche­ren Umgang mit den Che­mi­ka­lien. Die Sei­fen­masse wurde dann mit ver­schie­dens­ten Zusät­zen indi­vi­du­ell gestal­tet. So ent­stan­den (neben einem traum­haf­ten Duft im Che­mie­raum) unter ande­rem Sei­fen mit Rosen­blü­ten und Rosen­duft, mit Oran­gen– und Limet­ten­abrieb oder mit Kakao. Viel­leicht hat es die eine oder andere Seife ja auch unter den Weih­nachts­baum geschafft!

FlexProjekt Cap Arcona 2016 "Zu Ehren Henryk Francuz"

15 Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus verschiedenen Jahrgangsstufen haben sich  in den vergangenen drei Tagen unter Anlei­tung des His­to­ri­kers Tho­mas Käper­nick mit der Lebens­ge­schichte eines Über­le­ben­den der Cap Arcona Kata­stro­phe beschäf­tigt. Ziel war es, dem im letz­ten Jahr Ver­stor­be­nen Hen­ryk Fran­cuz ein "klei­nes Denk­mal” zu set­zen. Neben der Recherche-Arbeit, deren Ergeb­nis fol­gen­der Text ist, hat die Gruppe auf der Grund­lage von Zita­ten aus Fran­cuz’ Lebens­be­richt auch gestal­te­risch gear­bei­tet. Die Ergeb­nisse kön­nen neben eini­gen Bil­dern vom Pro­jek­t­ab­lauf wei­ter unten betrach­tet werden.

Beson­ders schön ist, dass die Pro­jekt­gruppe über Herrn Käper­nick zum Abschluss noch den Sohn des Ver­stor­be­nen via E-Mail kon­tak­tie­ren und von ihrem Vor­ha­ben und den Ergeb­nis­sen infor­mie­ren konnte. Dies ist seine Antwort:

Hello Tho­mas, I am very touch my father was a very spe­cial man, I’m with tears that someone remem­bers his jour­ney of life. The war for my father did not stop when he was libe­ra­ted. Ever­y­day he fought his own demons and I as a child was part of it. I thank you so much for making my fathers name known. Thank the child­ren who are doing there works on the holo­caust, they must know that a per­son lives and dies but he has a name. My father was very dear to me. My flesh and blood. I respect your work very much. I want to add that Ger­many suf­fe­red very much and I respect the people. […]

Sin­ce­rely yours

Michael Adam Francuz

Hen­ryk Francuz

I did not have a happy childhood during the time shortly before my father died and afterwards.“

Hen­ryk Fran­cuz wurde am 16. Februar 1925 in Lodz, Polen, gebo­ren. Seine leib­li­che Mut­ter ver­starb 1928, als er drei Jahre alt war, sein Vater zwei Jahre vor dem Krieg im Dezem­ber 1937, wäh­rend er noch zwölf war. Seine Stief­mut­ter und ihre Fami­lie präg­ten vor allem seine Kind­heit. Er wusste bis zu sei­nem neun­ten Lebens­jahr nicht, dass sie seine Stief­mut­ter war.

Vom Kin­der­gar­ten bis zur sieb­ten Klasse ging er zu einer hebräi­schen Schule. In sei­ner Frei­zeit war er aktiv in meh­re­ren zio­nis­ti­schen Jugend­grup­pen tätig, beschreibt sich aber ins­ge­samt als unpo­li­ti­schen Men­schen, der nicht wusste, was „im Land geschah oder im Osten vor sich ging.“ Er sprach zwei Spra­chen – Hebrä­isch und Pol­nisch, aller­dings nicht Yid­dish, was zu Pro­ble­men führte, als er 1939 ins Ghetto kam, da er sich dort nach eige­nen Anga­ben nicht mit den ande­ren aus­tau­schen konnte.

I was not a poli­ti­cal animal.“

Die Schwes­tern sei­ner Stief­mut­ter nah­men ihn bei sich auf. Die eine war Zahn­ärz­tin, der zwei­ten gehörte eine Biblio­thek. Er selbst machte eine Aus­bil­dung zum Elektriker. Ins Ghetto ging er, nach­dem in sei­nem Vier­tel nachts regel­mä­ßig und will­kür­lich Men­schen ermor­det wor­den waren. Im Ghetto selbst übten seine Tan­ten ihre Berufe wei­ter aus, wäh­rend er in Fabri­ken oder Bäcke­reien elek­tri­sche Anla­gen reparierte.

The most famous Aktion was the Sperre”

Die Zustände im Ghetto ver­schlech­ter­ten sich zuneh­mend. Krank­heit, Kälte und Hun­ger wur­den all­ge­gen­wär­tig, die Men­schen wur­den von der Außen­welt voll­kom­men iso­liert, die ein­zigen Infor­ma­ti­ons­quel­len waren wenige Radios und Zeitungen. Als beson­ders dras­tisch emp­fand Hen­ryk Fran­cuz die so genann­ten „Sper­ren“, Aktio­nen der SS, bei denen schwa­che und kranke Men­schen in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger depor­tiert wur­den: „The most famous Aktion was the Sperre, which las­ted more than a week — ten days. The term Sperre means blo­ckade. One could not go out in the streets and the Ger­mans would go with the Jewish police and they would fill the daily quota with weak and sick people. My step mother was taken during the Sperre.“

The dif­fe­rence was, that des­pite all the hun­ger and cold, here in the camp you where wit­hout family. It was a dif­fe­rent planet.”

Um nicht Ziel der regelmä­ßi­gen Depor­ta­tio­nen zu wer­den, ver­steckte sich Hen­ryk Fran­cuz mit ande­ren im Ghetto. Bei der end­gül­ti­gen Räu­mung des Ghet­tos wurde jedoch auch er ent­deckt und in einem Zug nach Maris­hin und spä­ter in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz ver­schleppt. Fran­cuz ver­suchte aus einem der klei­nen Wagons, in die jeweils 40–50 Men­schen gepfercht wor­den waren, zu ent­kom­men, doch er war auf die Hilfe ande­rer Gefan­ge­ner ange­wie­sen, die jedoch Angst vor den Deut­schen hat­ten und das Risiko erwischt zu wer­den nicht ein­ge­hen wollten.

Als sie im „Camp“ – Ausch­witz Bir­kenau – anka­men, wurde Fran­cuz bei der Selek­tion für arbeits­fä­hig befun­den und im fol­gen­den auf ernied­ri­gende Weise kom­plett rasiert, des­in­fi­ziert, geduscht und in die Häft­lings­uni­form geklei­det, die er als „Clowns­kos­tüm“ beschreibt. Das Schlimmste in Bir­kenau seien laut Fran­cuz nicht Kälte und Hun­ger, son­dern die Ein­sam­keit ohne die Fami­lie gewe­sen, denn in den Bara­cken herrsch­ten grau­same Bedin­gun­gen: Die Men­schen schlie­fen „über­ein­an­der gesta­pelt“ und ohne Decke auf dem Beton­bo­den. Außer­dem litt er unter der Schi­kane des „Blo­ck­äl­tes­ten“, einem Häft­ling, der für die Ord­nung und Sau­ber­keit in der Bara­cke zustän­dig gewe­sen war, in sei­nem Fall ein pol­ni­scher Häft­ling. Der Blo­ck­äl­teste stahl den ande­ren Insas­sen das Essen, um sel­ber bes­ser zu leben; auch Hen­ryk Fran­cuz wurde täg­lich sei­ner klei­nen Por­tion Mar­ga­rine beraubt.

I was the only one who did not step out.“

Auf­grund sei­ner Aus­bil­dung und Erfah­rung als Elek­tri­ker wurde Fran­cuz in ein Außen­la­ger – Ausch­witz Fürs­ten­grube – gebracht. Am Anfang machte Fürs­ten­grube einen bes­se­ren Ein­druck als Bir­kenau, da die Bedin­gun­gen ihm zunächst erträg­li­cher erschie­nen. Man ließ ihn andere Klei­dung für die Arbeit anzie­hen, um ihn vor den nas­sen Wän­den der Mine zu schüt­zen, er konnte warm duschen und deut­sche Sol­da­ten von der Luft­waffe gaben ihm unbe­merkt etwas zu Essen. Doch auch in Fürs­ten­grube wur­den Häft­linge Opfer der SS. Fran­cuz war im Zuge einer Lager-Aktion, bei der alle jüdi­schen Insas­sen des Außen­la­gers ermor­det wur­den, nur knapp dem Tode ent­ron­nen, da er sich nicht als Jude zu erken­nen gab.

The ship began to explode, and fire…and ever­y­thing was fly­ing around.“

Fran­cuz blieb bis zur kom­plet­ten Räu­mung des gesam­ten Lager­kom­ple­xes am 18. Januar 1945. Dann ging er mit etwa 1000 Häft­lin­gen am so genann­ten „Todes­marsch“. Schon auf der ers­ten Etappe, die Fran­cuz nach Dora-Nordhausen führte, wo er von Februar bis März in unter­ir­di­schen Ein­rich­tun­gen beim Bau der V1– und V2-Raketen Zwangs­ar­beit leis­ten musste, ver­starb rund die die Hälfte der Häft­linge des Mar­sches an Hun­gers­not und Kälte. Wegen der näher rücken­den Roten Armee wur­den Fran­cuz und die wei­te­ren Über­le­ben­den zunächst in Züge und dann auf eine Fähre ver­frach­tet und leg­ten anschlie­ßend noch eine Weg­stre­cke von 40–50 km zu Fuß bis nach Ahrens­bök bzw. Siblin zurück. Von dort aus ging es dann Ende April 1945 über Pönitz und Süsel nach Neu­stadt in Hol­stein, wo Fran­cuz schließ­lich am drit­ten Mai auf den ehe­ma­li­gen Luxus­damp­fer Cap Arcona kam.

Die Bom­bar­die­rung des Schif­fes über­lebte er, obwohl er nicht schwim­men konnte, indem er sich an einer Holz­planke fest­hielt. Erst am Abend wurde er von einem bri­ti­schen Boot in den Hafen trans­por­tiert und ver­brachte die Nacht in einem Spei­cher am Neu­städ­ter Bahn­hof. Wegen der Ver­bren­nun­gen, die er sich bei der Flucht von dem bren­nen­den Schiff zuge­zo­gen hatte, musste er zehn Tage im Kran­ken­haus bleiben.

There are things that are more uni­ver­sal than the nar­row per­spec­tive of the good of a nation.“

Hen­ryk Fran­cuz blieb bis zum Som­mer 1947, begann sogar ein Stu­dium, das er nach sei­ner Rück­kehr nach Polen been­dete. Dort lernte er dann auch seine Frau Dorota ken­nen, die bereits im sel­ben Ghetto wie er gewe­sen war, und zog im Mai 1957 mit ihr nach Israel. 1987 emi­grierte er nach Washing­ton, wo er fünf Jahre wohnte und sein Sohn Michael gebo­ren wurde. 2012 und 2016 erin­nerte er auf den Gedenk­fei­ern zur Kata­stro­phe in der Lübe­cker Bucht an die Lei­den der Häft­linge und rich­tete einen wich­ti­gen Appell an die nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen: „Lasst es nicht wie­der geschehen.“

Im Som­mer 2017 ver­starb er in Tel Aviv.

FlexProjekt "Landart die Zweite"

Am ver­gan­ge­nen Diens­tag haben 19 Schü­ler aus den Klas­sen Ea, Ec, Q1a und Q1b an einem „Land Art“ — FlexProjekt zu dem Thema „Bits and Pie­ces“ im Rah­men von „Kunst­Hoch­Schule“ teil­ge­nom­men. Einen gan­zen Vor­mit­tag lang lie­ßen sie sich aus­gie­big von der Kunst inspi­rie­ren. Gemein­sam mit Herrn Thies­ler und der Pro­jekt­lei­te­rin Chili Seitz aus Kiel sind dabei in der direk­ten Umge­bung des Küs­ten­gym­na­si­ums viele ein­zig­ar­tige Pro­jekte ent­stan­den. Hin­gu­cken lohnt sich!

FlexProjekt Cap Arcona 2015 "Die Katastrophe in der Neustädter Bucht"

Der Bei­trag des Küstengym­na­si­ums zum Geden­ken an die Cap Arcona-Katastrophe bil­dete am 4. Mai den Abschluss einer Reihe beein­druck­ten­der und ein­dring­li­cher Ver­an­stal­tun­gen zum 70. Jah­res­tag der Tra­gö­die in der Neu­städ­ter Bucht. Zuvor war die Sze­ni­sche Lesung im Rah­men des Erin­ne­rungs­kon­zep­tes der Schule allen Schü­le­r*in­nen ab der 8. Klasse gezeigt worden.

FlexProjekt "Weimarfahrt"

Kul­tur und Geist, Unkul­tur und Bar­ba­rei befin­den sich im beschau­li­chen Wei­mar so nahe bei ein­an­der wie wohl in kei­nem ande­ren Ort. Thea­ter, Museen, Parks, Biblio­the­ken, Denk­mä­ler — die Liste der Sehens­wür­dig­kei­ten ist dort außer­or­dent­lich und lang. Auf der ande­ren Seite betrie­ben die Natio­nal­so­zia­lis­ten vor den Toren der Stadt bis zum April 1945 das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Buchen­wald und hiel­ten dort mehr als eine Vier­tel­mil­lion Men­schen aus über 50 Natio­nen gefan­gen, von denen ein Groß­teil von der SS ermor­det wurde oder den Tod durch Erschöp­fung, Hun­ger, Fol­ter und medi­zi­ni­sche Expe­ri­mente fand.

Diese Ambi­va­lenz zu ergrün­den haben sich 20 Schü­le­r*in­nen unse­rer Schule im Rah­men eines fächerübergreifenden Flex-Projektes vom 05. bis zum 08.10.2017 zur Auf­gabe gemacht und dem “Geist von Wei­mar” nach­ge­spürt, der auch Fried­rich Ebert dazu ver­an­lasste, die Ver­fas­sung­ge­bende Ver­samm­lung, die nach 1919 das Deut­sche Reich als “Wei­ma­rer Repu­blik” prä­gen sollte, in die Kul­tur­stadt zu ver­le­gen. So wan­del­ten sie zunächst auf den musea­len Spu­ren Goe­thes, Schil­lers, Wie­lands, Bachs, Cra­nachs und Her­ders und besuch­ten im Natio­nal­thea­ter eine Auf­füh­rung der Tra­gö­die “Faust”, deren Insze­nie­rung Anlass zur Dis­kus­sion bot. 

Am nächs­ten Mor­gen ging es dann in die kom­plette Gegen­welt: Das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Buchen­wald begrüßte die Gruppe mit unwirt­li­cher, eisi­ger Kälte, die sich — nach einer kur­zen Ein­stim­mung auf dem Lager­bahn­hof — im Rah­men des Besuchs des Gelän­des und der Austel­lung auch auf die Gemü­ter über­tra­gen sollte. Zurück in der Stadt teilte sich die Gruppe, so dass zeit­gleich noch ein Kaba­ret und die Auf­füh­rung eines zeit­ge­nös­si­schen Thea­ter­stücks besucht wer­den konnte!

FlexProjekt Cap Arcona 2017 "Szenische Lesung"

Auch der dies­jäh­rige Bei­trag des Küs­ten­gym­na­si­ums an der Gedenk­feier zum Unter­gang der Cap Arcona Kata­stro­phe am 3. Mai 1945 wurde im Rah­men eines Flex­pro­jek­tes aus­ge­ar­bei­tet. Elf Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus den Klas­sen­stu­fen 9 und E beschäf­tig­ten sich an drei Schul­ta­gen inten­siv mit den Ereig­nis­sen und Zusam­men­hän­gen rund um den Unter­gang der Häft­lings­schiffe in der Neu­städ­ter Bucht. Beson­ders span­nend gestal­tete sich dies­mal die Zusam­men­ar­beit mit außer­schu­li­schen Insti­tu­tio­nen.

So stand nach einer Ein­füh­rung und einer Bege­hung der Gedenk­stätte im Rah­men des Pro­jek­tes auch ein Besuch des Cap Arcona Muse­ums an, bei dem die Gruppe sich bei Herrn Lange Fund­stü­cke anschaute und wei­tere Infor­ma­tio­nen zu den tra­gi­schen Umstän­den ein­holte, die letzt­lich zur Kata­stro­phe geführt haben. Einen Schwer­punkt bil­dete zudem die Frage, wie das Thema für die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen, aber auch für die Stadt und die Region bedeu­tend blei­ben kann.

So gerüs­tet ging es an die Arbeit: Zusam­men mit Herrn Tho­mas Käper­nick vom Arbeits­kreis Cap Arcona sollte ein Bei­trag für die Gedenk­feier ent­ste­hen, der die Ereig­nisse um den 3. Mai 1945 aus der Sicht eini­ger Über­le­ben­der schil­dert und so ver­sucht, einen klei­nen Ein­blick in die Ängste und das Lei­den, aber auch den uner­schüt­ter­li­chen Wil­len und die Hoff­nun­gen der Häft­linge zu ver­mit­teln. Zu die­sem Zweck arbei­tete die Gruppe an ver­schie­de­nen Zeit­zeu­gen­be­rich­ten, die Herr Käper­nick zuvor im Archiv der Gedenk­stätte Neu­en­g­amme aus­ge­wählt und zur Ver­fü­gung gestellt hatte.

Im Rah­men der Gedenk­feier wurde das Ergeb­nis die­ser Arbeit dann in Form einer Sze­ni­schen Lesung prä­sen­tiert.

FlexProjekt Cap Arcona "Erinnern heißt verstehen"

Die vergangenen drei Schul­tage stell­ten für elf Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus den Klas­sen­stu­fen 7 bis Q1 des Küs­ten­gym­na­si­ums eine unge­wöhn­li­che Her­aus­for­de­rung dar. Sie wur­den mit der ver­ant­wor­tungs­vol­len Auf­gabe betraut, einen Bei­trag der Schule für die Gedenk­feier zum 71. Jah­res­tag der Cap-Arcona-Katastrophe zu erar­bei­ten. „Gegen das Ver­ges­sen“ lau­tet die Über­schrift, unter der die Schü­ler nun ein Zei­chen set­zen wol­len, das nicht nur ihre Alters­ge­nos­sen dazu anre­gen soll, sich an die­sen dunk­len Moment der Neu­städ­ter Geschichte zu erin­nern, son­dern alle Neu­städ­ter auf­for­dert, der Geschichte ihrer Hei­mat­stadt wie­der gewahr zu wer­den: Am Gedenk­tag star­ten vom Gelände des Ehren­mals aus 71 Luft­bal­lons (für jedes Gedenk­jahr einer), die auf Kar­ten geschrie­bene Zitate der Über­le­ben­den tra­gen und den Fin­dern Anlass zur Erin­ne­rung und Mah­nung sein sollen.


Für die Zeit des Pro­jek­tes, das neben dem regu­lä­ren Unter­richt statt­fand, wur­den die Schü­ler vom eigent­li­chen Unter­richt frei­ge­stellt und arbei­te­ten weit­ge­hend selb­stän­dig mit viel Enga­ge­ment und Ernst­haf­tig­keit an der Umset­zung ihrer Ideen. Dabei ging es zunächst darum, sich mit der Geschichte des Unter­gangs an sich und der Pro­ble­ma­tik der Auf­ar­bei­tung zu beschäf­ti­gen, was gerade für die jün­ge­ren schon eine gewisse Her­aus­for­de­rung dar­stellte. Gemein­sam mit den bera­ten­den Leh­rern wur­den die nächs­ten Schritte geplant und umge­setzt – vom Stu­dium der Berichte der Über­le­ben­den und der Aus­wahl geeig­ne­ter Zitatstel­len über die Gestal­tung der Kar­ten bis hin zur For­mu­lie­rung einer kur­zen Rede für die Gedenk­feier, die den Abwe­sen­den die Idee des Pro­jek­tes erläu­tern soll. Auch der Auf­tritt auf der Gedenk­feier und v. a. die Rede stel­lten eine nicht alltägliche Aufgabe dar und musste geübt werden.

Wenn­gleich unsere Bal­lons letzt­lich nicht wirk­lich auf Reise gehen konn­ten, setzte unsere Aktion einen wohl allen in Erin­ne­rung blei­ben­den Schluss­punkt für die sehr bewe­gende Gedenk­feier, von der uns vor allem die Rede­bei­träge der Über­le­ben­den beein­druckt haben.